Schulden - ein komplexes Thema

Schulden – ein komplexes Thema

Wer sich Geld von der Bank leiht oder Waren kauft, diese aber nicht direkt bezahlt, macht Schulden. So weit, so einfach – so erscheint es zumindest auf den ersten Blick. Tatsächlich handelt es sich bei Schulden um ein sehr komplexes Themengebiet, das nicht nur Privatpersonen, sondern auch Staaten, Städte und Unternehmen betrifft.

Seit wann machen Menschen Schulden? Warum verschulden sich Staaten? Und welche Folgen hat eine Überschuldung für private Verbraucher? Dieser Artikel beleuchtet diese und andere Aspekte rund ums Thema.

Schulden – eine Definition

Unter Schulden versteht man Verbindlichkeiten, die mit Rückzahlungspflichten gegenüber natürlichen oder juristischen Personen verbunden sind. Der Begriff „Schulden“ ist dem Wort „Schuld“ sehr ähnlich. Im deutschen Sprachgebrauch haben Schulden daher eine stark negative Konnotation. Das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm führt das Wort „Schulden“ allerdings auf das altgermanische Verb „skulan“ zurück, was „sollen“ bedeutet. Der Begriff Schulden beschreibt demnach eine allgemeine Verpflichtung, die nichts mit einer Schuld im moralischen oder rechtlichen Sinne zu tun hat.

Eine kurze Geschichte der Schulden

Schulden haben Menschen schon vor rund 5.000 Jahren gemacht. Das zeigen Funde aus dem historischen Mesopotamien. Da es noch kein Geld gab, verschuldete man sich in Naturalien wie Getreide. Die Höhe der Schulden wurde auf sogenannten Rollsiegeln festgehalten. Wer seine Schulden nicht begleichen konnte, musste in die Schuldknechtschaft und harte körperliche Arbeit leisten.

Das erste Münzgeld wurde um 700 v. Chr. eingeführt. Zur selben Zeit eröffneten die ersten Banken, die Kredite vergaben. Das Römische Reich kannte besonders drakonische Strafen für Schuldner: Bekam ein Gläubiger sein Geld nicht zurück, durfte er den Schuldner töten lassen. Im Mittelalter setzten Schuldner nicht mehr ihr Leben aufs Spiel, konnten bei Zahlungsunfähigkeit jedoch in Haft genommen werden. Häufig wurden Kinder dazu verpflichtet, die Schulden ihrer Eltern abzuarbeiten. Mit der Französischen Revolution erfolgte die Abschaffung der Schuldknechtschaft in Europa.

Wenn sich Staaten verschulden

Bereits während der Antike haben sich nicht nur Privatpersonen, sondern auch Staaten Geld geliehen. Der häufigste Grund: die Kriegsführung. Waffen, Soldaten und der Unterhalt des Heeres kosteten Staaten vor allem im Mittelalter mehr Geld, als sie durch Steuern einnehmen konnten. Im Jahr 1121 lieh sich der Stadtstaat Genua Darlehen von Bankiers und nahm damit den ersten öffentlichen Kredit auf.

Bis heute können viele Staaten ihre Ausgaben nicht allein aus Steuereinnahmen decken. Entsprechend müssen sie Darlehen aufnehmen, zum Beispiel durch den Verkauf von Staatsanleihen. Ähnlich gehen Bundesländer und Kommunen vor.

Info: Die am höchsten verschuldete Stadt in Deutschland ist Pirmasens, mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 9.870 Euro. Auf Platz zwei und drei im Vergleich der kreisfreien Städte folgen Zweibrücken und Kaiserslautern.

Negative Auswirkungen einer hohen Staatsverschuldung

Die Aufnahme von Schulden erlaubt es Staaten, Bundesländern und Kommunen, handlungsfähig zu bleiben und Investitionen zu tätigen, die allen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen. Auf lange Sicht führt eine hohe Verschuldung der öffentlichen Hand jedoch zu Problemen: Hohe Schulden bedeuten hohe Zinsen. Ein großer Teil der Steuereinnahmen muss nun allein zur Rückzahlung der Zinsen verwendet werden. Das schränkt den Handlungsspielraum des Staates ein. Notwendige Ausgaben, etwa für Infrastruktur, Bildung und Kultur, werden zurückgestellt. Zugleich steigen bei hoher Staatsverschuldung die Kreditzinsen für Unternehmen und Privatverbraucher.

Erreicht die Staatsverschuldung ein nicht mehr tragbares Niveau, droht der Staatsbankrott. Geht ein Staat bankrott, verlieren die Gläubiger ihr Vermögen. Unternehmen, die dem Staat Geld geliehen haben, müssen eventuell ebenfalls Insolvenz anmelden, Arbeitsplätze gehen verloren.

Schuldenuhr Deutschland: Um die Staatsverschuldung Deutschlands für alle Bürgern und Bürgerinnen transparent zu machen, hat der Bund der Steuerzahler 1995 die Schuldenuhr eingeführt. Die Schuldenuhr zeigt den aktuellen Schuldenstand, den sekündlichen Schuldenzuwachs und die Pro-Kopf-Verschuldung. Aktuell liegt die deutsche Staatsverschuldung bei über 2.344 Milliarden Euro. Jede Sekunde kommen 3.650 Euro an Schulden hinzu. Umgerechnet entspricht das einer Pro-Kopf-Verschuldung von 28.172 Euro (Stand: Februar 2022).

Schuldenbremse: So will die Bundesregierung der Staatsverschuldung den Riegel vorschieben

Die deutsche Bundesregierung hat 2009 ein Gesetz zur Schuldenbremse erlassen. Bund und Länder müssen ihren Haushalt grundsätzlich ohne Aufnahme von Krediten ausgleichen. Die strukturelle Neuverschuldung des Bundes darf seit 2016 nur noch 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen.

Die Länder dürfen seit 2020 keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Eigentlich – denn die Corona-Krise machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern, haben alle Bundesländer öffentliche Hilfen für Unternehmen angekündigt. Die Hilfspakete erfordern die Aufnahme hoher Kredite. Da es sich um eine außergewöhnliche Notsituation handelt, ist diese Neuverschuldung jedoch von der Schuldenbremse gedeckt.

Unternehmensschulden – drei große Autokonzerne in den Top Ten

Unternehmen nehmen ebenfalls Schulden auf, zum Beispiel um neue Fabrikhallen zu bauen oder Maschinen anzuschaffen. Im Jahr 2019 befanden sich gleich drei große Automobilkonzerne in der Top Ten der am höchsten verschuldeten Unternehmen. VW lag mit Schulden in Höhe von 192 Milliarden US-Dollar sogar auf dem ersten Platz. Daimler stand mit 151 Milliarden US-Dollar auf Platz drei, BMW folgte mit 114 Milliarden US-Dollar auf Platz acht.

Für große Konzerne sind hohen Schulden aber nicht zwangsläufig ein Problem: Oft ist es billiger, Investitionen mit Krediten zu bezahlen, als Eigenkapital zu verwenden. Das liegt daran, dass Unternehmen den Zinsaufwand von der Steuer absetzen können. Gläubiger gehen zudem ein geringeres Verlustrisiko ein als die Aktionäre der Konzerne, da sie im Fall einer Insolvenz als erstes bedient werden.

Hochverschuldet in die Schlagzeilen

Liest man in der Presse von Schulden, geht es dort nicht nur um Staaten und Unternehmen, sondern oft auch um Fußballvereine und Prominente. Der englische Fußballverein Manchester United häufte so zum Beispiel einen Schuldenberg in Höhe von 536 Millionen Euro an. Als deutsche „Pleite-Promis“ machten unter anderem Boris Becker, Matthias Reim und Roberto Blanco Schlagzeilen. Sie gehören damit zu den Tausenden von Menschen, die jährlich in Deutschland eine Privatinsolvenz anmelden. Im „Rekordjahr“ 2010 waren es fast 140.000, in 2021 ca. 56.000 Privatpersonen, die eine Insolvenz beantragten.

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Private Verschuldung in Deutschland

Prominenz und scheinbar hohe Einnahmen schützen also vor Schulden nicht. Bei den meisten Schuldnern in Deutschland handelt es sich jedoch um ganz normale Privatverbraucher, die ihre finanziellen Forderungen nicht mehr aus eigener Kraft decken können. Laut SchuldnerAtlas 2021 sind aktuell 6,16 Millionen Verbraucher in Deutschland überschuldet. Die Überschuldungsquote liegt bei 8,86 Prozent. Während der Corona-Krise ist sie erstmals auf unter neun Prozent gesunken. Ein Grund dafür: Der private Konsum ging während der Lockdown-Phasen deutlich zurück.

Schulden: Konsequenzen für Privatverbraucher

Gläubiger wollen ihr Geld selbstverständlich zurückbekommen. Zahlen Schuldner auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht, können sie eine Vollstreckung bewirken. Wer auf den Vollstreckungsbescheid nicht reagiert, muss mit einer Lohnpfändung oder Kontopfändung rechnen.

Nun erscheint es vielleicht unfair, dass Staaten scheinbar folgenlos Schulden machen dürfen, während Privatverbrauchern harte Konsequenzen drohen. Staatshaushalt und Privathaushalt funktionieren allerdings nach unterschiedlichen Regeln. Ein Staat nimmt Kredite auf, um in die öffentliche Infrastruktur zu investieren oder die Standortbedingungen für Unternehmen zu verbessern. Die Aufnahme von Schulden dient dazu, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Staatsverschuldung ist daher nicht unbedingt negativ – zumindest, solange das Bruttoinlandsprodukt schneller wächst als die Verschuldung.

Welche Arten von Schulden gibt es? Schulden lassen sich auf verschiedene Weise kategorisieren. Eine Möglichkeit besteht darin, sie nach der Dringlichkeit der Verbindlichkeiten zu ordnen. Auf diese Weise erfolgt die Einteilung in zwei Schuldenarten:

  • Primärschulden sind dringende Schulden, die existenzielle Bereiche des Lebens betreffen, etwa Miete, Energie und Krankenversicherung.
  • Sekundärschulden stellen keine unmittelbare Gefährdung der Existenz dar. Es handelt sich zum Beispiel um Schulden bei Telekommunikationsunternehmen oder Konsumschulden.

Private Schulden: die häufigsten Ursachen

Warum verschulden sich private Haushalte überhaupt? Die Gründe sind vielfältig. Die häufigsten Ursachen für Überschuldung sind laut Statistik:

  • Arbeitslosigkeit
  • Krankheit, Unfall, Sucht
  • Unwirtschaftliche Haushaltsführung
  • Scheidung, Trennung, Tod des Partners
  • Längerfristiges Niedrigeinkommen
  • Gescheiterte Selbständigkeit

Private Schulden: Folgen für Psyche und Gesundheit

Krankheit ist nicht nur ein häufiger Auslöser für Schulden, sondern auch eine Folge. Flattern Mahnungen ins Haus oder meldet sich gar der Gerichtsvollzieher an, löst das Existenzängste aus. Wer hohe Schulden hat, kann zudem nicht mehr wie gewohnt am öffentlichen Leben teilhaben. Viele Menschen schämen sich auch für ihre Schulden und ziehen sich von ihrem Umfeld zurück. Das wirkt sich auf die psychische, aber auch auf die körperliche Gesundheit aus.

Eine Umfrage der österreichischen Schuldnerberatungen zeigt, dass 71 Prozent der Betroffenen unter starkem Stress leiden. Der belastet: 63 Prozent der Betroffenen geben an, Depressionen zu haben, 60 Prozent klagen über Schlafstörungen. Viele Schuldner berichten zudem von Angstzuständen, Rückenschmerzen und Kopfschmerzen.

Der richtige Umgang mit privaten Schulden

Wie sollten Sie sich nun verhalten, wenn Sie feststellen, dass Sie Ihre Schulden nicht mehr aus eigener Kraft zurückzahlen können?

Wächst Ihnen der Schuldenberg über den Kopf, sollten Sie sich möglichst schnell Hilfe holen, am besten bei einer (anwaltlichen) Schuldnerberatung. Professionelle Berater helfen Ihnen, wieder einen Überblick über Ihre finanzielle Situation zu gewinnen und zeigen Ihnen, wie Sie Ihre Schulden abbauen.

Wichtige Schritte auf diesem Weg umfassen:

  • Haushaltsbuch führen
  • Gläubiger- und Forderungsübersicht erstellen
  • Ausgaben und Schulden priorisieren
  • Ermitteln, wie viel Geld für den Schuldenabbau zur Verfügung steht
  • Schuldenbereinigungsplan aufstellen
  • Außergerichtlicher Vergleich mit den Gläubigern
  • Falls der Vergleich fehlschlägt: Privatinsolvenz anmelden

FAQ Schulden

Wie hoch ist Deutschland verschuldet?

Anfang Februar 2022 war Deutschland mit rund 2.344 Milliarden Euro verschuldet. Pro Sekunde steigt die Staatsverschuldung um 3.650 Euro an.

Welche Länder der Welt sind schuldenfrei?

Nur fünf Staaten der Welt können sich derzeit als schuldenfrei bezeichnen: British Virgin Islands, Brunei, Macau, Palau und Liechtenstein.

Was passiert mit meinen Schulden bei einer Rezession?

Während einer Rezession senkt die Zentralbank meist die Zinsen. Auch Privatkredite werden dadurch günstiger. Gleichzeitig steigt aber die Kaufkraft des Geldes und die Löhne entwickeln sich ungünstig. Vermeintlich günstige Kredite können so doch zu einer hohen Belastung werden.

Wann sind private Schulden verjährt?

Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (§ 195 BGB) verjähren private Schulden nach drei Jahren. Erwirken Gläubiger einen Vollstreckungstitel, beträgt die Verjährungsfrist jedoch 30 Jahre. Die Frist beginnt von vorn, wenn Schuldner einen Teil der Forderung bezahlen oder wenn eine Vollstreckungshandlung vorgenommen wird.

Was bedeutet Überschuldung?

Eine Überschuldung liegt vor, wenn Einkommen und Vermögen des Schuldners nicht ausreichen, um alle Verbindlichkeiten zu begleichen.

Wie Schulden abbauen?

Zum Schuldenabbau stehen vorrangig zwei Möglichkeiten zur Wahl: Der Königsweg ist der außergerichtliche Vergleich mit den Gläubigern. Der Schuldenberater erstellt einen Schuldenbereinigungsplan, der zum Beispiel die Zahlung einer Teilsumme oder Ratenzahlungen vorsieht. Scheitert die außergerichtliche Einigung, besteht die Möglichkeit, Privatinsolvenz anzumelden und nach einer dreijährigen Wohlverhaltensphase Restschuldbefreiung zu beantragen.

Kann man wegen Schulden ins Gefängnis kommen?

Das Gefängnis droht Schuldnern heute generell nicht mehr. Eine Ausnahme besteht, wenn Schuldner die Abgabe einer Vermögensauskunft verweigern. Dann dürfen sie in die sogenannte Erzwingungs- oder Beugehaft genommen werden. Wer eine gerichtlich angeordnete Geldstrafe nicht zahlt, riskiert ebenfalls einen Haftbefehl.

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Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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