Update 30.12.2020: Heute wurde das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht! Die generelle Verkürzung der Laufzeit von Insolvenzverfahren auf höchstens drei Jahre ist demnach offiziell.
Am 17.12.2020 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens“ verabschiedet. Nun steht einer Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt nichts mehr im Wege (dann ist das Gesetz wirksam in Kraft). Ab sofort dauern Regelinsolvenzen und Privatinsolvenzen nur noch maximal 3 Jahre!
Die Höchstdauer von 3 Jahren gilt übrigens auch rückwirkend für Insolvenzverfahren, die seit dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Wer das dreijährige Insolvenzverfahren anstrebt, kann nun guten Gewissens einen Insolvenzantrag stellen.
Darüber hinaus wurde eine Übergangsregelung für Insolvenzanträge beschlossen, die zwischen dem 17. Dezember 2019 und dem 30. September 2020 beim Insolvenzgericht eingegangen sind. Diese Verfahren verkürzen sich jeweils um die Zeit, die seit dem 16. Juli 2019 vergangen ist.
An diesem Tag ist die EU-Richtlinie 2019/1023 in Kraft getreten, die vom Gesetzgeber nun in deutsches Recht überführt wurde. Diese Richtlinie besagt, dass Unternehmensinsolvenzen europaweit zukünftig nur noch höchstens 3 Jahre dauern sollen. Deutschland erweitert diese Vorgabe sogar und hat entschieden, dass auch eine Privatinsolvenz nach spätestens 3 Jahren abgeschlossen ist.
Schnellere Privatinsolvenz als Erleichterung in der Corona-Pandemie
Die Bundesregierung sieht diesen Schritt als Teil ihres Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets. Redliche Schulder haben so die Möglichkeit, schneller schuldenfrei zu werden und früher am Wirtschaftsleben teilzunehmen (das hilft dann auch der ganzen Wirtschaft). Angesichts der von Experten erwarteten deutlichen Zunahme an Insolvenzverfahren ab Frühjahr 2021 sicherlich eine sinnvolle Erleichterung für private Verbraucher.
Die Zahl der Insolvenzen ist in den letzten Monaten gesunken. Das liegt aber daran, dass der Staat milliardenschwere Hilfspaket geschnürt und laut Finanzminister Olaf Scholz die „Bazooka“ durchgeladen hat. Wenn diese Hilfsprogramme auslaufen, wird die Zahl der überschuldeten Haushalte zwangsläufig steigen. Der erneute harte Lockdown (seit dem 15.12.20) erschwert die finanziellen Probleme zusätzlich.
Schuldenfrei nach 3 Jahren ohne 35-Prozent-Hürde
Bis zur Neuregelung des Restschuldbefreiungsverfahrens konnten Schuldner die Privatinsolvenz nur auf 3 Jahre verkürzen, wenn sie in dieser Zeit 35% ihrer Schulden und die Verfahrenskosten begleichen konnten. Diese Vorgabe wurde komplett gestrichen.
Die Privatinsolvenz endet dementsprechend nach 3 Jahren, ohne dass eine Mindestquote erfüllt werden muss. Um die Restschuldbefreiung zu erlangen, müssen Schuldner in der Wohlverhaltensphase weiterhin die 5 Obliegenheiten erfüllen, zu denen z.B. die Suche nach einem angemessenen Arbeitsplatz gehört.
3 Jahre Privatinsolvenz: Eine gute Nachricht für überschuldete Verbraucher!
Experten sehen es kritisch, dass das Gesetz für Privatinsolvenzen zunächst bis zum 30. Juni 2025 befristet ist und dann evaluiert werden soll. Außerdem hätten sich viele Schuldnerberater gewünscht, dass Daten bei Auskunfteien nur noch bis zu einem Jahr nach dem Insolvenzende gespeichert werden dürfen. Hier bleibt es leider bei 3 Jahren, was den finanziellen Neuanfang etwas erschwert.
Auch leichte Verschärfungen, z.B. die Verlängerung der Sperrfrist, beeinträchtigen den positiven Gesamteindruck nicht. Im Endeffekt ist der finanzielle Neustart durch eine kürzere Privatinsolvenz leichter als jemals zuvor.
Photo by Lindsay Henwood on Unsplash
Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.