Ab wie viel € Schulden kann man Privatinsolvenz anmelden?

Ab wieviel € Schulden kann man Privatinsolvenz anmelden?

Laut Angaben des Statistischen Bundesamts lag die individuelle Schuldensumme in Deutschland 2022 bei durchschnittlich 30.900 Euro und damit etwas unter dem Vorjahreswert.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen hat jedoch zugenommen. Wie die Wirtschaftsauskunftei Creditreform mitteilt, wurden im 1. Halbjahr 2024 rund 11.000 Unternehmensinsolvenzen angemeldet – fast 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und der höchste Stand seit fast zehn Jahren.

Auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist wieder gestiegen und liegt mit 35.400 Fällen um 6,7 Prozent über dem Vorjahreszeitraum.

Eine Privatinsolvenz kann für verschuldete Verbraucher viele Vorteile bieten, etwa die Restschuldbefreiung nach drei Jahren.

Doch ab welcher Schuldenhöhe können Sie eigentlich Privatinsolvenz anmelden?

Das Wichtigste – kurz & knapp

  • Einen Antrag auf Privatinsolvenz dürfen Sie unabhängig von der Schuldenhöhe stellen.
  • Voraussetzungen für die Privatinsolvenz sind drohende oder bestehende Zahlungsunfähigkeit sowie das Scheitern eines außergerichtlichen Schuldenvergleichs.
  • Während der Privatinsolvenz bleibt Ihr Existenzminimum durch den pfändungsfreien Betrag laut Pfändungstabelle gesichert.

Privatinsolvenz – keine Mindestschuldensumme erforderlich

Die Privatinsolvenz ist nicht an eine bestimmte Schuldenhöhe gebunden. Das bedeutet, das Gesetz gibt keinen konkreten Betrag vor, ab dem Sie ein Privatinsolvenzverfahren anmelden dürfen.

Pauschal könnte man sagen, dass höhere Schuldensummen häufiger in einem Insolvenzverfahren münden, da ein Vergleich mit den Gläubigern schwieriger zu erzielen ist. Darüber hinaus hängt natürlich auch viel davon ab, wie hoch das Nettoeinkommen des Schuldners in Relation zur Höhe der Schulden ist.

Einen Antrag auf Insolvenzeröffnung dürfen Sie unter den folgenden Voraussetzungen stellen:

  • Sie sind zahlungsunfähig oder von drohender Zahlungsunfähigkeit betroffen. Zahlungsunfähig bedeutet, dass Sie Ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr decken können.
  • Es hat ein Versuch zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung mit den Gläubigern stattgefunden. Erst wenn die Gläubiger einen Schuldenvergleich ablehnen, steht Ihnen der Weg in die Privatinsolvenz offen.

Info: Das Scheitern müssen Sie mit einer Bescheinigung im Sinne von § 305 Insolvenzordnung (InsO) nachweisen. Als anwaltliche Schuldnerberatung sind wir dazu selbstverständlich befugt.

Außergerichtlicher Vergleich als Alternative zur Insolvenz

Beim außergerichtlichen Schuldenvergleich verzichten die Gläubiger auf einen Teil der Schuldensumme. Ein Schuldenerlass von bis zu 70 Prozent ist keine Seltenheit. Die Restsumme begleichen Sie entweder als Einmalzahlung oder in Raten.

Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie noch über Einkommen und Vermögenswerte verfügen, mit denen Sie die Teilzahlung decken können.

Gute Erfolgsaussichten hat der Einigungsversuch, wenn Sie den Gläubigern eine Geldsumme anbieten, deren Höhe über der gesetzlichen Pfändungsfreigrenze von 1.491,75 Euro (Stand: Juli 2024) liegt.

Generell sollte die angebotene Summe höher sein als der Betrag, den Gläubiger im Falle einer Privatinsolvenz erhalten würden. Häufig lassen sich Gläubiger aber auch auf Ratenzahlungen aus dem nicht pfändbaren Einkommen ein.

Wichtig ist, dass Sie den vereinbarten Rückzahlungsmodalitäten tatsächlich nachkommen können. Bei hohen Schuldensummen von beispielsweise 50.000 Euro und einem Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze empfiehlt sich eher der Gang ins Insolvenzverfahren.

Ein Schuldenvergleich kann aber auch scheitern, wenn die Gläubiger das Gefühl haben, bei Ihnen mehr holen zu können, als Sie ihnen anbieten.

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Die Vorteile der Privatinsolvenz

  • Restschuldbefreiung nach drei Jahren: Nach Ablauf einer dreijährigen Wohlverhaltensphase wird Schuldnern in der Regel die Restschuldbefreiung gewährt. Anschließend können Sie schuldenfrei neu durchstarten.
  • Löschung negativer Schufa-Einträge: Schufa-Einträge zur Restschuldbefreiung und den damit verbundenen Schulden werden nach sechs Monaten automatisch gelöscht.
  • Keine Zwangsvollstreckung: Während des Privatinsolvenzverfahrens dürfen keine Pfändungen mehr durchgeführt werden. Sie müssen auch nicht mehr mit Besuchen des Gerichtsvollziehers rechnen.
  • Existenzminimum gesichert: Der Gesetzgeber legt fest, dass Schuldnern während der Insolvenz ein pfändungsfreier Betrag zum Leben bleibt. Die Höhe richtet sich nach der sogenannten Pfändungstabelle, die jährlich zum 1. Juli angepasst wird. Der Grundfreibetrag liegt seit dem 1. Juli 2024 bei 1.491,75 Euro. Sind Sie anderen Personen gegenüber unterhaltspflichtig, erhöht sich der Freibetrag.

Juristische Beratung im Insolvenzverfahren

Für das Verbraucherinsolvenzverfahren besteht kein Anwaltszwang. Es ist aber dennoch sinnvoll, sich von einem Fachanwalt für Insolvenzrecht begleiten zu lassen.

Zum einen benötigen Sie für die den Insolvenzantrag die Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Schuldenvergleichs, die ein Anwalt ausstellen kann.

Zum anderen gibt es bereits bei der Antragsstellung einige Fallstricke zu beachten. Unterläuft Ihnen beim Ausfüllen der Formulare ein Fehler, kann dies im schlimmsten Fall bis zum Versagen der Restschuldbefreiung führen.

Ein Anwalt unterstützt Sie bei der Antragsstellung und der Zusammenstellung der benötigten Unterlagen. Während des Insolvenzverfahrens führt und prüft er den Schriftverkehr und steht Ihnen bei allen rechtlichen Fragen zur Seite.

Foto: IRStone / stock.adobe.com

Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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