Ist eine Firma nicht mehr zahlungsfähig, muss sie Insolvenz anmelden. Im Regelinsolvenzverfahren wird darüber entschieden, ob das Unternehmen weiter fortgeführt oder aufgelöst wird. Außerdem werden die Ansprüche der Gläubiger befriedigt.
Wie genau eine Firmeninsolvenz abläuft, erklären wir Ihnen im folgenden Artikel.
Das Wichtigste – kurz & knapp
- Unternehmen müssen Insolvenz beantragen, wenn sie zahlungsunfähig oder überschuldet sind.
- Versäumen Firmen es, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, machen sie sich der Insolvenzverschleppung schuldig.
- Im Insolvenzverfahren wird über die Fortführung oder Liquidation des Unternehmens entschieden.
- Um die Insolvenzmasse zu sichern, kann das Gericht ein vorläufiges Insolvenzverfahren anordnen.
Wann muss eine Firma Insolvenz anmelden?
Eine Firma gilt laut Insolvenzordnung (InsO) als insolvent, wenn einer der drei Insolvenzgründe vorliegt:
- Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO): Das Unternehmensvermögen reicht nicht aus, um bestehende Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.
- Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Abs. 2 InsO): Das Unternehmen kann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen.
- Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO): Das Unternehmen kann in den kommenden 24 Monaten seinen bestehenden Zahlungsverpflichtungen voraussichtlich nicht mehr nachkommen.
Bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit besteht Insolvenzantragspflicht. Zahlungsunfähige Firmen haben maximal drei Wochen Zeit, um einen Insolvenzantrag zu stellen, überschuldete Unternehmen sechs Wochen.
Diese Fristen sollten allerdings nicht ausgereizt werden. Die Insolvenzordnung sieht grundsätzlich vor, dass Insolvenzanträge unverzüglich nach Eintreten des Insolvenzgrunds zu stellen sind. Wer den Antrag zu spät stellt, macht sich der Insolvenzverschleppung schuldig (§ 15a Abs. 1 InsO, § 283 Strafgesetzbuch).
Ablauf des Insolvenzverfahrens für Firmen
Das Insolvenzverfahren für eine Firma gliedert sich in mehrere Phasen, beginnend mit der Antragsstellung.
1. Insolvenzantrag
Der Insolvenzantrag kann vom Geschäftsführer des Unternehmens, Organen in herausragender Stellung, dem Aufsichtsrat sowie von einzelnen Gesellschaftern gestellt werden. Auch die Gläubiger sind antragsberechtigt, wenn sie den Insolvenzgrund zweifelsfrei belegen können. Der Antrag auf Insolvenzeröffnung muss in schriftlicher Form beim zuständigen Amtsgericht eingereicht werden.
2. Vorläufiges Insolvenzverfahren
Nach Antragstellung kann das Gericht ein vorläufiges Insolvenzverfahren anordnen und einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen, um die Insolvenzmasse zu sichern.
Bis zur endgültigen Entscheidung über die Verfahrenseröffnung führt der Insolvenzverwalter die Firma fort. Für Unternehmer gilt das sogenannte allgemeine Verfügungsverbot, sie dürfen also keine Geschäfte mehr führen.
Das vorläufige Insolvenzverfahren kann mehrere Wochen oder Monate in Anspruch nehmen. Zahlungsverpflichtungen bleiben über diesen Zeitraum hinweg eingefroren, zudem besteht Vollstreckungsverbot. Während dieser Phase prüft der Insolvenzverwalter, ob das Unternehmensvermögen ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken.
Ist das nicht der Fall, lehnt das Gericht den Insolvenzantrag mangels Masse ab. Die Firma wird geschlossen, natürliche Personen wie Einzelunternehmer und persönlich haftende Komplementäre werden ins Schuldnerverzeichnis eingetragen, die Gläubiger gehen leer aus. Eventuell wird eine Gewerbeuntersagung ausgesprochen.
3. Insolvenzeröffnung
Reicht die Insolvenzmasse aus, um die Verfahrenskosten zu decken, und liegt ein Insolvenzgrund vor, eröffnet das Gericht das ordentliche Insolvenzverfahren. Die Leitung des Unternehmens obliegt nun dem Insolvenzverwalter. Die Gläubiger können ihm gegenüber ihre Ansprüche anmelden.
Alternativ haben Firmen noch vor Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, Insolvenz in Eigenverwaltung zu beantragen. Gibt das Gericht diesem Antrag statt, wird anstelle eines Insolvenzverwalters ein Sachverwalter eingesetzt.
Die Geschäftsführung bleibt verfügungsbefugt und führt das Unternehmen unter Überwachung des Sachverwalters weiter. Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist günstiger, da Sachverwalter eine geringere Vergütung erhalten als Insolvenzverwalter.
Eine weitere Alternative stellt das sogenannte Schutzschirmverfahren dar, das die Eigenverwaltung mit einem Vollstreckungsstopp kombiniert. Während der Schutzschirmzeit von maximal drei Monaten arbeitet die Geschäftsführung der Firma einen Sanierungsplan aus. Gläubiger dürfen in dieser Zeit keine Vollstreckungsmaßnahmen durchführen lassen.
4. Berichtstermin und Prüfungstermin
Das Insolvenzverfahren wird öffentlich im Internet bekanntgegeben sowie ins Handelsregister und in Handelsbücher eingetragen. Zum Eröffnungstermin setzt das Gericht den Berichtstermin fest. Dabei handelt es sich um die Versammlung aller Gläubiger.
In der Gläubigerversammlung berichtet der Insolvenzverwalter, wie sich die wirtschaftliche Lage der Firma konkret darstellt und ob Aussicht auf Sanierung besteht. Auf Grundlage dieses Berichtes wird entschieden, ob das Unternehmen fortgeführt oder liquidiert wird. Entscheidet das Gericht die Fortführung der Firma, kann es sein, dass Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderung verzichten müssen.
Bei einem weiteren Prüfungstermin erstellt der Insolvenzverwalter eine Gläubigertabelle mit allen Forderungen.
5. Liquidationsphase und Verfahrensabschluss
Während der Liquidationsphase werden alle noch offenen Außenstände der Firma eingezogen und der Insolvenzmasse hinzugefügt. Ist die Insolvenzmasse liquidiert, wird ein Schlusstermin festgesetzt. Der Insolvenzverwalter legt dem Gericht eine Abschlussrechnung vor und das Gericht entscheidet über die Verwendung des verbliebenen Vermögens.
Forderungen werden im Insolvenzverfahren einer bestimmten Reihenfolge nach gedeckt:
- Verfahrenskosten (Gerichtskosten und Vergütung des Insolvenzverwalters)
- Forderungen, die nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind (etwa laufende Kosten wie Miete, Strom etc.)
- Insolvenzverbindlichkeiten (Forderungen der Gläubiger)
- Nachrangige Insolvenzverbindlichkeiten (etwa durch die Insolvenz entstandene Gebühren)
Natürliche Personen wie Einzelunternehmer haften mit ihrem Privatvermögen. Sie können allerdings eine Restschuldbefreiung beantragen. Nach einer mehrjährigen Wohlverhaltensphase werden ihnen eventuell noch bestehende Schulden erlassen und sie können wirtschaftlich neu durchstarten.
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Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.