Drohende Zahlungsunfähigkeit (§18 InsO) - was ist zu beachten?

Drohende Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO – was ist zu beachten?

Die „Perspektive“ Insolvenz ist gerade für Privatpersonen häufig ein Horrorszenario. Ein Insolvenzantrag kann allerdings auch als Chance für finanzielle Konsolidierung und Neuaufstellung begriffen werden.

Besondere Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang der Insolvenztatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO (Insolvenzordnung). Diese berechtigt Schuldner zur Insolvenzantragstellung, stellt aber nur in bestimmten Konstellationen eine Verpflichtung dar.

Insolvenzverfahren – aktuelle Situation in Deutschland

In Deutschland gab es 2022 rund 105.000 Insolvenzverfahren, davon knapp 14.600 Unternehmensinsolvenzen. Nach der temporären Aussetzung der Insolvenzantragspflicht mit außergewöhnlich niedrigen Insolvenzzahlen in 2020 und sehr vielen Insolvenzen in 2021 (über 120.000 Verfahren) hat die Zahl der Insolvenzeröffnungen damit wieder ungefähr das Vor-Corona-Niveau erreicht.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Insolvenzdynamik an Tempo verloren hat. Explodierende Energiepreise, hohe Inflation und drohende Rezession könnten auch im Jahr 2023 viele Verbraucher und Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit treiben.

Was bedeutet „drohende Zahlungsunfähigkeit“ nach § 18 InsO?

Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner existierende Zahlungspflichten zu anstehenden Fälligkeitsterminen voraussichtlich nicht erfüllen kann (vgl. § 18 Abs. 2 InsO). Schon aus der Legaldefinition wird deutlich: es handelt sich um eine Zukunftsbetrachtung mit Prognosecharakter.

Folgende Situation liegt dementsprechend vor: Aktuell können Zahlungsverpflichtungen noch bedient werden. Es liegen aber Umstände vor, die mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass das bei künftig anstehenden Zahlungen nicht mehr der Fall ist.

Das Insolvenzrecht geht von einem Prognosezeitraum von 24 Monaten aus (§ 18 Abs. 2 Satz 2 InsO). Für diesen Zeitraum sind anstehende Fälligkeiten üblicherweise bekannt und es lässt sich mit hinreichender Sicherheit die Liquiditätssituation abschätzen. Bei Unternehmen werden mindestens das laufende und das kommende Geschäftsjahr bei der Fortführungsprognose zugrunde gelegt – wobei aktuell eine Verkürzung diskutiert wird.

Gründe für drohende Zahlungsunfähigkeit

Für eine drohende Zahlungsunfähigkeit gibt es viele Ursachen. Das gilt sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen.

Typische Beispiele für drohende Zahlungsunfähigkeit bei Unternehmen sind:

  • Ein Großkunde beendet die Geschäftsbeziehung. Der entstehende Umsatzverlust ist gravierend und kann nicht kurzfristig ausgeglichen werden. Es fehlt voraussichtlich die Liquidität, um anstehende Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können;
  • Eine bestehende Förderung kann aufgrund veränderter Förderrichtlinien künftig nicht mehr genutzt werden. Dadurch ist u.U. eine kostendeckende Leistungserstellung unmöglich und in absehbarer Zeit Zahlungsunfähigkeit zu erwarten;
  • Die Hausbank kürzt die Kreditlinie beim Kontokorrentkredit oder stellt zusätzliche Sicherheitsanforderungen als Bedingung für den Verzicht auf Kreditkündigungen, die nicht erfüllbar sind. Baldige Zahlungsunfähigkeit ist die logische Konsequenz.

Beispiele bei Privatpersonen sind:

  • Berufsunfähigkeit aufgrund einer gravierenden Erkrankung. Wenn kein privater Berufsunfähigkeitsschutz besteht, bleibt nur die gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Die ist aber so knapp bemessen, dass sie kaum zur Bedienung bestehender Zahlungsverpflichtungen reicht;
  • Scheidungsverfahren sind häufiger Auslöser von Privatinsolvenzen. Im Zusammenhang mit Unterhaltsregelungen, Vermögensauseinandersetzung und den Kosten des Scheidungsverfahrens selbst kann sehr schnell Zahlungsunfähigkeit drohen, insbesondere wenn noch Kreditverpflichtungen (aus Konsumentenkrediten, Baufinanzierungen) zu bedienen sind;
  • Hohe Schadensersatzforderungen wegen eines schuldhaft verursachten Schadens, die nicht versicherungstechnisch abgedeckt sind und die finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigen.

Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit – wer darf, wer muss?

Einen Insolvenzantrag darf in dieser Konstellation nur ein Schuldner stellen. Im Unterschied zu den anderen Insolvenztatbeständen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind Gläubiger nicht dazu berechtigt. Eine Pflicht, die Insolvenz zu beantragen, besteht nicht, solange nur drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt.

Etwas anders sieht es aus, wenn auch noch ein anderer Insolvenztatbestand gegeben ist. Juristische Personen (Kapitalgesellschaften des Handelsrechts, Stiftungen, eingetragene Vereine und Körperschaften des öffentlichen Rechts) sind nach § 15a InsO verpflichtet, bei akuter Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.

Geschäftsführer bzw. Vorstand als Vertreter müssen dann „ohne schuldhaftes Zögern“ handeln. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit liegt per Definition noch keine akute Zahlungsunfähigkeit vor, es ist aber durchaus möglich, dass bereits eine Überschuldung gegeben ist. Dann ist ein Insolvenzantrag Pflicht. Ansonsten riskieren die verantwortlichen Personen eine Insolvenzverschleppung.

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Insolvenzantrag als Chance zur Sanierung und für einen finanziellen Neustart

Der Gesetzgeber möchte mit § 18 InsO Schuldnern bewusst Möglichkeiten eröffnen, frühzeitig eine finanzielle Sanierung anzugehen. Bei Unternehmen steht dabei stets die Fortführungsperspektive im Fokus. Der Vorteil dabei: Insolvenzen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit können in Eigenverwaltung erfolgen und ggf. kann das Schutzschirmverfahren zur Eigensanierung genutzt werden.

Bei privaten Schuldnern ist die Privatinsolvenz die Ultima Ratio, wenn andere Lösungen für akute oder zu erwartende Zahlungsprobleme ausscheiden. So lässt sich zumindest die Zwangsvollstreckung vermeiden und es besteht die Aussicht auf Restschuldbefreiung.

Die Unterstützung von Experten ist dabei auf jeden Fall zu empfehlen – nicht nur aus formalen Gründen. Schuldnerberatung Schulz versucht zunächst, einen außergerichtlichen Vergleich mit den Gläubigern zu erreichen. Wenn das nicht möglich ist, begleiten wir Schuldner fachkundig durch ein Insolvenzverfahren (Regelinsolvenz bzw. Verbraucherinsolvenz oder Firmeninsolvenz).

FAQ

Was bedeutet zahlungsunfähig?

Ein Schuldner ist nach allgemeinem Verständnis zahlungsunfähig, wenn er fällige Zahlungsverpflichtungen nicht mehr bedienen kann. Daran orientiert sich auch die Definition von Zahlungsunfähigkeit in § 17 Abs. 2 InsO. Bei Zahlungseinstellung durch den Schuldner wird insolvenzrechtlich Zahlungsunfähigkeit vermutet.

Wann liegt eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor?

Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt nach § 18 Abs. 2 InsO vor, wenn ein Schuldner voraussichtlich nicht mehr in der Lage sein wird, künftig fällige Zahlungsverpflichtungen zu bedienen. Der Begriff impliziert, dass aktuell noch Zahlungsfähigkeit besteht. Beim Blick in die Zukunft wird insolvenzrechtlich eine Perspektive von 24 Monaten (Prognosezeitraum) unterstellt.

Welche Gründe kann es für eine Zahlungsunfähigkeit geben?

Gründe für Zahlungsunfähigkeit sind so vielfältig wie das Leben. Bei Unternehmen häufig: Finanzierungsfehler, Wegfall wichtiger Kunden, Fehlinvestitionen, explodierende Kosten, bei Privatpersonen: Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit, Krankheit, Scheidung/Trennung.

Welche Insolvenzgründe gibt es?

Das deutsche Insolvenzrecht kennt drei Insolvenzgründe: Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO). Überschuldung ist nur bei juristischen Personen ein Insolvenzgrund.

Wer ist verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen?

Insolvenzantragspflicht besteht für juristische Personen (u.a. UG, GmbH, AG, eG), sobald (akute) Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vorliegt. Der Antrag ist im Regelfall von dem/den Geschäftsführer/n bzw. dem Vorstand als Vertretung der Gesellschaft zu stellen. Wird zu lange gezögert, riskiert man ggf. den Strafbestand Insolvenzverschleppung.

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Foto: deagreez / stock.adobe.com

Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)
Oliver Schulz

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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