Sie vergessen, eine Rechnung zu bezahlen, übersehen eine Mahnung – und plötzlich erhalten Sie einen Brief von einem Inkassobüro. Derartige Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, Gläubiger bei ihrem Forderungsmanagement zu unterstützen.
Natürlich handeln sie dabei nicht uneigennützig: Inkasso ist ein lukrativer Wirtschaftszweig mit einem Umsatz von rund 5,8 Milliarden Euro im Jahr. Das ruft auch einige Betrüger auf den Plan.
Im Folgenden erklären wir Ihnen, wie ein Inkassoverfahren abläuft, wie Sie seriöse von unseriösen Inkassounternehmen unterscheiden und was passiert, wenn Sie berechtigte Forderungen nicht zahlen.
- Das Wichtigste – kurz & knapp
- Inkassoverfahren: Die Voraussetzungen
- Der typische Ablauf eines Inkassoverfahrens
- Brief vom Inkassobüro bekommen – so reagieren Sie richtig
- Inkassounternehmen: Wie erkennen Sie schwarze Schafe?
- Was passiert, wenn man Inkasso nicht bezahlt?
- Schreiben vom Inkassobüro bekommen?
- FAQ
Das Wichtigste – kurz & knapp
- Inkassounternehmen treiben im Auftrag des Gläubigers offene Forderungen ein.
- Reagieren Schuldner auf Inkassoschreiben nicht, dürfen Inkassodienstleister das gerichtliche Mahnverfahren einleiten.
- Zahlen Sie die Forderung nicht und legen keinen Widerspruch ein, kann es zur Pfändung kommen.
Inkassoverfahren: Die Voraussetzungen
So mancher Gläubiger wendet sich an einen Inkassodienstleister, um sich beim Forderungsmanagement unterstützen zu lassen. Inkassounternehmen erhalten entweder eine Vollmacht vom Gläubiger oder kaufen offene Forderungen auf. Rechtliche Grundlage für den Vertrag zwischen Gläubiger und Inkassounternehmen bildet das Bundesgesetzbuch (§ 675 BGB).
Bevor ein Inkassoverfahren gestartet werden kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es liegt eine berechtigte Hauptforderung vor, es besteht also ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner, aus dem die Forderung hervorgeht.
- Der Schuldner befindet sich in Zahlungsverzug gemäß § 286 BGB.
Erst wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, darf ein Inkassounternehmen aktiv werden. Um einen geregelten Ablauf des Inkassoverfahrens sicherzustellen, haben sich die rund 500 Mitgliedsunternehmen des Bundes der Deutschen Inkassounternehmen (BDIU) zu einem Code of Conduct verpflichtet. Dieser legt Verhaltensregeln für ein transparentes und seriöses Auftreten von Inkassounternehmen fest.
Der typische Ablauf eines Inkassoverfahrens
Das Inkassoverfahren teilt sich in drei Phasen:
- Vorgerichtliche Phase: Das Inkassounternehmen versucht zunächst, eine außergerichtliche Lösung für den Gläubiger zu finden. In aller Regel schickt es dem Schuldner ein Schreiben mit einer Zahlungsaufforderung zu.
- Gerichtliche Phase: Zahlt der Schuldner die offene Forderung nicht, kann das Inkassobüro ein gerichtliches Mahnverfahren einleiten. Der Schuldner hat die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Daraufhin kann der Gläubiger ein Gerichtsverfahren anstrengend. Bleibt der Widerspruch aus, ergeht der Vollstreckungsbescheid.
- Nachgerichtliche Phase: Hat das Inkassobüro einen vollstreckbaren Titel erwirken können, kann es die offene Summe pfänden lassen. Wird die offene Forderung auch durch eine Pfändung nicht gedeckt, startet das sogenannte Überwachungsverfahren, in dem das Inkassobüro die finanzielle Situation des Schuldners regelmäßig überprüfen lässt.
Brief vom Inkassobüro bekommen – so reagieren Sie richtig
Liegt ein Schreiben vom Inkassobüro im Briefkasten, ist der Schreck oft groß. Wichtig ist, dass Sie Ruhe bewahren!
Im ersten Schritt sollten Sie prüfen, ob die Forderung tatsächlich berechtigt ist. Sind Ihnen Gläubiger und die geforderte Summe bekannt? Haben Sie tatsächlich Rechnungen und Mahnungen nicht gezahlt?
Prüfen Sie außerdem, ob es sich beim Absender um ein seriöses Inkassounternehmen handelt. Inkassodienstleister müssen sich gemäß Rechtsdienstleistungsgesetz (§ 10 RDG) bei der zuständigen Aufsichtsbehörde registrieren lassen.
Schauen Sie nach, ob der Absender des Inkassoschreibens im Rechtsdienstleistungsregister aufgeführt wird. Das geht online und ist für Sie kostenlos.
Nicht registrierte Unternehmen können Sie bei der Aufsichtsbehörde anzeigen. Im Zweifel können Sie sich auch an den BDIU wenden und nachfragen, ob das Unternehmen dort Mitglied ist.
Ein seriöses Anschreiben nennt die vollständigen Kontaktdaten des Inkassobüros und des Gläubigers. Die Rechnung ist übersichtlich gestaltet, die Inkassokosten richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Das Inkassobüro ist per E-Mail und telefonisch einfach zu erreichen.
Um die Seriosität eines Unternehmens zu prüfen, können Sie auch einen Blick auf dessen Website werfen. Führt diese transparent alle Dienstleistungen auf und verfügt über ein Impressum?
Ist die Forderung berechtigt und bestehen keine Zweifel an der Seriosität des Unternehmens, sollten Sie die Summe möglichst schnell bezahlen. So vermeiden Sie weitere Kosten und ein eventuelles Vollstreckungsverfahren.
Bei unberechtigten Forderungen Widerspruch einlegen
Haben Sie nach gewissenhafter Prüfung festgestellt, dass die Forderung unberechtigt ist, legen Sie schriftlich Widerspruch ein. Senden Sie diesen am besten per Einschreiben an das Inkassounternehmen. Vorlagen für den Widerspruch erhalten Sie zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale. Auf keinen Fall sollten Sie unberechtigte Forderungen bezahlen, auch nicht anteilig. Das kann als Anerkennung der Schuld gewertet werden und erschwert es, die Forderung zu bestreiten.
Inkassounternehmen: Wie erkennen Sie schwarze Schafe?
Schwarze Schafe unter den Inkassounternehmen verraten sich meist durch eine sehr aggressive Vorgehensweise, kurze Fristen und hohe Inkassokosten. Zahlen Sie die Forderung nicht, erhalten Sie weitere drohende Anschreiben. Eventuell steht sogar ein Mitarbeiter vor Ihrer Tür.
Diese Punkte deuten auf ein unseriöses Unternehmen hin:
- Keine Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister.
- Aggressives Anschreiben.
- Name des Gläubigers wird nicht genannt.
- Vertragsgegenstand und Datum des Vertragsabschlusses fehlen.
- Keine oder unübersichtlich aufgebaute Website.
- Sitz im Ausland.
- Telefonischer Kontakt nur über teure 0900-Nummern möglich.
- Zu kurze, unrealistische Fristen.
- Unangemessene Gebühren.
Mit dem online kostenlos verfügbaren Inkasso-Check der Verbraucherzentrale können Sie prüfen, ob das Schreiben von einem seriösen Anbieter stammt und ob die Höhe der Inkassokosten gerechtfertigt ist.
Die Verbraucherzentrale Brandenburg veröffentlicht zudem eine Liste mit bekannten schwarzen Schafen der Branche. Hilfe beim Umgang mit unseriösen Inkassounternehmen erhalten Sie außerdem vom BDIU.
Der Zahlungsaufforderung der Betrüger sollten Sie auf keinen Fall nachkommen. Die Verbraucherzentrale Brandenburg empfiehlt, die Anschreiben zu ignorieren und der Polizei zu melden. Alternativ legen Sie per Einschreiben Widerspruch gegen die Forderung ein, holen sich Beratung bei der örtlichen Verbraucherzentrale oder nehmen eine Rechtsberatung in Anspruch.
Was passiert, wenn man Inkasso nicht bezahlt?
Ein Inkassoschreiben mit berechtigten Forderungen sollten Sie nicht ignorieren. Die Schulden bleiben nämlich nicht nur bestehen, im Laufe der Zeit kommen weitere Kosten wie Verzugszinsen und Inkassogebühren hinzu.
Zahlen Sie nicht, strengt der Inkassodienstleister ein gerichtliches Mahnverfahren an, das meist in einem vollstreckbaren Titel endet. Damit droht Sachpfändung, Lohnpfändung / Gehaltspfändung oder Kontopfändung.
Die Kosten für das gerichtliche Mahnverfahren sind ebenfalls vom Schuldner zu decken. Außerdem kommt es zu einem Negativ-Eintrag in der Schufa, der weitere Konsequenzen für Ihr wirtschaftliches Handeln nach sich zieht.
Erfüllen Sie die Forderungen trotz des vollstreckbaren Titels nicht, kann das Inkassobüro ein Überwachungsverfahren einleiten und Ihre finanziellen Verhältnisse in regelmäßigen Abständen überprüfen.
Schreiben vom Inkassobüro bekommen?
Erhalten Sie ein oder mehrere Inkassoschreiben, weist dies oft auf längerfristige finanzielle Probleme hin. Als professionelle Schuldnerberatung unterstützen wir Sie dabei, wieder eine bessere Übersicht über Ihre Finanzen zu gewinnen. Außerdem finden wir mit Ihnen gemeinsam einen Weg aus den Schulden (i.d.R. durch einen Schuldenvergleich oder die Privatinsolvenz).
FAQ
Wann wird ein Inkassoverfahren eingeleitet?
Ein Inkassoverfahren wird eingeleitet, wenn ein Schuldner in Zahlungsverzug gerät. In diesem Fall kann sich der Gläubiger an ein Inkassobüro wenden und die Forderung an dieses abtreten.
Wird ein Inkassoverfahren bei der Schufa gemeldet?
Das Inkassoverfahren wird der Schufa nur gemeldet, wenn der Schuldner eine berechtigte Forderung trotz mindestens zweifacher Mahnung des Inkassobüros nicht zahlt. Wird Widerspruch eingelegt, dürfen keine Daten an die Schufa übermittelt werden.
Wie viel kostet ein Inkassoverfahren?
Die zulässigen Kosten für das Inkassoverfahren sind im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) festgelegt. Seit 2021 beträgt der Gebührensatz zwischen 0,5 und 2,5 Prozent, abhängig von der Höhe der Hauptforderung.
Was darf ein Inkassounternehmen und was nicht?
Ein Inkassounternehmen darf im Auftrag eines Gläubigers offene Forderungen eintreiben und diese auch gerichtlich durchsetzen. Die Forderung muss allerdings berechtigt sein und der Schuldner muss sich tatsächlich in Zahlungsverzug befinden. Einschüchterungsversuche durch Drohschreiben oder gar Hausbesuche sind nicht gestattet.
Kann jeder Inkasso beauftragen?
Ja, grundsätzlich kann jeder ein Inkassounternehmen beauftragen, wenn eine offene Forderung besteht, Privatpersonen ebenso wie Unternehmen.
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Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.