Gehaltspfändung - Bedeutung, Freibetrag, Ablauf

Gehaltspfändung – Bedeutung, Freibetrag, Ablauf

Die Gehaltspfändung stellt eine Form der Zwangsvollstreckung dar. Können Arbeitnehmer ihre privaten Schulden nicht begleichen, haben Gläubiger das Recht, sich an den Arbeitgeber zu wenden und den offenen Betrag direkt aus dem Arbeitseinkommen einzuziehen.

Was eine Gehaltspfändung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet, wie sie genau abläuft und welcher Freibetrag Schuldnern zusteht, erfahren Sie hier.

Die rechtlichen Grundlagen

Vollstreckungsfälle sind in Deutschland keine Seltenheit. Allein für Forderungen des Bundes und der Sozialbehörden setzte der Zoll im Jahr 2021 rund 4,44 Millionen Vollstreckungen durch. Eine Möglichkeit der Zwangsvollstreckung stellt die Gehaltspfändung dar. Gesetzliche Grundlage bildet die Zivilprozessordnung (§§ 850 ff ZPO).

Zu einer Lohnpfändung kann es kommen, wenn Sie Ihre Schulden über eine längere Zeit hinweg nicht bezahlen. Ein Beispiel: Herr B. hat Schulden bei seinem Telefonanbieter. Auch auf mehrmalige Mahnungen hin hat er die Ausstände nicht beglichen. Der Telefonanbieter hat mittlerweile den Vertrag gekündigt und zur Begleichung der Forderung einen gerichtlichen Vollstreckungsbescheid und einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜb) erwirkt.

Mit dem Pfändungsbeschluss kann er die ausstehende Summe nun direkt von Herrn B.s Arbeitgeber einfordern. Der Arbeitgeber wird dabei zu einem sogenannten Drittschuldner und ist gemäß §§ 840 ZPO dazu verpflichtet, die Forderung aus dem pfändbaren Anteil von Herrn B.s Nettoeinkommen zu decken.

Anders als bei der Kontopfändung greift der Gläubiger nicht direkt auf das Girokonto des Schuldners zu. Liegen mehrere Pfändungsbeschlüsse vor, sind Gläubiger, die das Konto pfänden lassen, gegenüber der Lohnpfändung im Nachteil. Arbeitgeber überweisen nämlich nur noch den nicht pfändbaren Einkommensteil aufs Girokonto. Diesen Anteil darf der Schuldner zur Deckung des Existenzminimums in jedem Fall behalten.

Rechte und Pflichten des Arbeitgebers

Als Drittschuldner müssen Arbeitgeber an der Gehaltspfändung aktiv mitwirken. Sobald sie den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Gläubigers erhalten haben, haben sie zwei Wochen Zeit, um eine sogenannte Drittschuldnererklärung abzugeben. Darin müssen sie angeben, ob sie zur Zahlung der Ansprüche bereit sind und ob noch weitere Gläubiger eine Gehaltspfändung veranlasst haben.

Verweigern Arbeitgeber mit Mitwirkung, können Gläubiger gegen sie vollstrecken lassen. Liegen mehrere Pfändungsbeschlüsse vor, müssen Arbeitgeber diese in der Reihenfolge ihrer Zustellung bedienen (§ 804 Abs. 3 ZPO).

Dem Arbeitgeber obliegt es auch, das pfändbare Arbeitseinkommen des Schuldners korrekt zu berechnen. Bei Unsicherheiten und Fragen hilft das zuständige Vollstreckungsgericht weiter. Setzen Arbeitgeber den Pfändungsbetrag zu niedrig an, können Gläubiger auf Schadenersatz klagen. Wird der pfändbare Betrag dagegen zu hoch angesetzt, steht dem betroffenen Arbeitnehmer Schadenersatz zu.

Eine Gehaltspfändung ist für den Arbeitgeber mit Aufwand und Kosten verbunden. In Betrieben ist sie daher nicht gern gesehen, stellt jedoch keinen Kündigungsgrund dar. Grundsätzlich besteht auch kein Anspruch darauf, sich den Bearbeitungsaufwand durch den verschuldeten Arbeitnehmer ersetzen zu lassen (Urteil Bundesarbeitsgericht vom 18.07.2006, 1 AZR 578/0). Ausnahme: Im Arbeitsvertrag wurde ein solcher Erstattungsanspruch ausdrücklich vereinbart.

Ihre Rechte als Arbeitnehmer

Bei einer Gehaltspfändung müssen Sie keinesfalls Ihr gesamtes Einkommen an den Gläubiger abtreten. Pfändbar ist grundsätzlich nur das Nettoeinkommen. Zur Existenzsicherung steht Ihnen ein gewisser pfändungsfreier Betrag zu. Wie hoch dieser genau ausfällt, richtet sich nach der Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen, für die Sie aufkommen müssen.

Die Pfändungsfreigrenzen sind in der Pfändungstabelle festgelegt. Diese Tabelle wird jährlich aktualisiert (§ 850c Abs. 2a ZPO). Aktuell liegt der unpfändbare Grundbetrag bei 1.402,28 Euro (Stand: 1. Juli 2023). Schuldner mit einer Unterhaltspflicht, z.B. für ein Kind, dürfen bis zu 1.939,99 Euro behalten. Bei Schuldnern mit zwei Unterhaltspflichten beginnt die Pfändung bei einem Nettoeinkommen ab 2.240,- Euro.

Liegt Ihr Einkommen über dieser Summe, wird vom Mehrbetrag stets ein gewisser Anteil gepfändet. Kinderlosen Schuldnern ohne Unterhaltsverpflichtungen, die zwischen 1.410,- und 1.419,99 Euro verdienen, werden zum Beispiel 5,40 Euro pro Monat vom Gehalt abgezogen. Bei einem Verdienst zwischen 1.830,- und 1.839,99 Euro pro Monat beträgt der pfändbare Einkommensanteil 299,40 Euro.

Folgende Einkommensanteile sind komplett unpfändbar:

  • Aufwandsentschädigungen
  • Erziehungsgeld
  • Erschwerniszulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit
  • Studienbeihilfe nach § 850a ZPO

Bedingt pfändbar sind bestimmte Formen von Renten und Unterstützungsleistungen, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld sowie Sonderzahlungen (§ 850b ZPO).

Info: Die stille Gehaltspfändung
Nehmen Sie einen Kredit bei der Bank auf, wird dabei manchmal eine Gehaltsabtretung als Sicherheit eingefordert. Von dieser Gehaltsabtretung erfährt der Arbeitgeber zunächst nichts. Daher wird sie auch als stille Gehaltsabtretung oder Gehaltspfändung bezeichnet.

Ablauf einer Gehaltspfändung

Eine Gehaltspfändung kommt nicht aus dem Nichts. In der Regel haben Sie bereits zuvor Mahnungen sowie den Vollstreckungsbescheid erhalten. Gläubiger dürfen das Arbeitseinkommen nämlich nur pfänden, wenn sie einen vollstreckbaren Titel erwirken und Ihnen zustellen.

So läuft die Gehaltspfändung ab:

  1. Der Gläubiger erwirkt vor Gericht einen vollstreckbaren Titel. Öffentliche Gläubiger wie das Finanzamt können direkt vollstrecken.
  2. Der Gläubiger ermittelt die Adresse Ihres Arbeitgebers und beantragt vor Gericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.
  3. Nach erfolgreichem Antrag kann der Gläubiger einen Gerichtsvollzieher beauftragen, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an Ihren Arbeitgeber zuzustellen.
  4. Der Arbeitgeber steht nun in der Pflicht, den pfändbaren Anteil Ihres Einkommens an den Gläubiger zu überweisen. Sie erhalten nur noch den unpfändbaren Anteil ausbezahlt.

Gehaltspfändung – so reagieren Sie richtig

Kommt es zur Gehaltspfändung, sollten Sie zunächst das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber suchen und ihm Ihre Situation erklären. Wichtig ist zudem, dass Sie den Vollstreckungsbescheid genau prüfen. Am besten holen Sie sich professionelle Hilfe, etwa von einem spezialisierten Rechtsanwalt. Nicht selten passieren bei einer Vollstreckung Formfehler, aufgrund derer der Vorgang hinfällig wird.

Unter bestimmten Bedingungen können Sie auch einen Antrag auf eine Erhöhung der Pfändungsfreigrenze mittels P-Konto Bescheinigung oder auf einen Pfändungsstopp beim zuständigen Amtsgericht stellen. Das Amtsgericht kann daraufhin zum Beispiel eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen (§§ 850k, 732 Absatz 2 ZPO).

Darüber hinaus sollten Sie auch Ihre Lohnabrechnung überprüfen, um festzustellen, ob der Pfändungsfreibetrag korrekt berechnet wurde. Dabei hilft Ihnen unser Pfändungsrechner.

Eventuell lässt sich die Gehaltspfändung durch einen außergerichtlichen Schuldenvergleich abwenden. Kontaktieren Sie uns, um Ihre Möglichkeiten zu prüfen. Übrigens: Entscheiden Sie sich für den Schritt in die Verbraucherinsolvenz, wird die Gehaltspfändung unwirksam. Der pfändbare Einkommensanteil wird in diesem Fall zur Insolvenzmasse gerechnet.

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FAQ Gehaltspfändung

Wie viel darf vom Gehalt gepfändet werden?

Wie hoch der pfändbare Anteil des Gehalts ausfällt, ist in der Pfändungstabelle festgelegt. Der pfändungsfreie Grundbetrag liegt aktuell bei 1.402,28 Euro (seit dem 1. Juli 2023) und erhöht sich für jede Person, der gegenüber der Schuldner unterhaltspflichtig ist.

Wie läuft eine Gehaltspfändung ab?

Der Gläubiger erwirkt einen Vollstreckungsbescheid, der dem Schuldner zugestellt wird. Anschließend bewirkt er vor Gericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und lässt diesen an den Arbeitgeber zustellen. Der Arbeitgeber steht nun in der Pflicht, den pfändbaren Einkommensanteil zu berechnen und an den Gläubiger auszuzahlen.

Was bedeutet eine Pfändung des Gehalts für den Arbeitgeber?

Bei einer Gehaltspfändung wird der Arbeitgeber zum sogenannten Drittschuldner. Innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Pfändungsbeschlusses muss er eine Drittschuldnererklärung abgeben und erklären, ob weitere Gehaltspfändungen vorliegen. Zudem muss er die pfändbaren und unpfändbaren Einkommensanteile korrekt berechnen und die Forderung des Gläubigers aus dem Arbeitseinkommen des Schuldners begleichen.

Kann das Gehalt komplett gepfändet werden?

Nein. Ein gewisser unpfändbarer Einkommensanteil steht dem Schuldner zur Deckung seines Existenzminimums zu. Gewisse Einkommensbestandteile wie Aufwandsentschädigungen sind unpfändbar. Andere Einkommensbestandteile dürfen nur anteilig gepfändet werden, etwa Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Ist eine Lohnpfändung ein Kündigungsgrund?

Nein. Für eine Kündigung muss ein echter Kündigungsgrund gemäß Kündigungsschutzgesetz (§ 1 KSchG) vorliegen. Eine Gehaltspfändung gehört in der Regel nicht dazu. Bestehen für einen Arbeitnehmer überdurchschnittlich viele Gehaltspfändungen, die zu einem erheblichen Arbeitsaufwand führen, kann der Arbeitgeber aber eine Kündigung vor dem Arbeitsgericht durchsetzen.

Kann der Arbeitgeber eine Einkommenspfändung ablehnen?

Nein. Als Drittschuldner unterliegen Arbeitgeber der Mitwirkungspflicht und dürfen die Einkommenspfändung nicht einfach ablehnen.

Wie kann man eine Lohnpfändung stoppen?

Eine Gehaltspfändung lässt sich stoppen, indem Schuldner die ausstehenden Forderungen direkt begleichen. Einige Gläubiger lassen sich eventuell auch auf einen Schuldenvergleich ein. Eine Privatinsolvenz beendet die Gehaltspfändung ebenfalls.

Kann das Finanzamt mein Gehalt pfänden?

Ja, das Finanzamt kann eine sogenannte Pfändungsverfügung erlassen und Steuerschulden selbst vollstrecken. Voraussetzung ist, dass die Höhe der zugrunde liegenden Forderung in der Pfändungsverfügung genannt wird.

Foto: Astrid Gast / stock.adobe.com

Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)
Oliver Schulz

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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