Inflation und Schulden

Inflation und Schulden

Verbraucher spüren es derzeit in ihrem Geldbeutel: Lebensmittel, Treibstoff und Energie sind deutlich teurer geworden. Das Bundesamt für Statistik beziffert die Inflationsrate für Juli 2022 auf 7,5 Prozent. Die Energiekosten sind im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar um 35,7 Prozent gestiegen, die Preise für Lebensmittel sind um 14,8 Prozent.

Wie wirkt sich eine derartige Inflation auf private Schulden aus?

Inflation: Ursachen und Bedeutung

Als Inflation bezeichnet man einen Prozess, bei dem das Preisniveau innerhalb einer Volkswirtschaft steigt und sich die Kaufkraft des Geldes verringert. In Folge können sich Verbraucher für ihr Geld weniger leisten.

Die Ursachen für eine Inflation sind vielfältig. Bereits die Corona-Pandemie hat zu einem knapperen Angebot an Rohstoffen geführt. Geopolitische Spannungen wie der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland haben nun zur Folge, dass Russland weniger Gas nach Europa liefert und die Energiekosten in die Höhe schnellen.

Hyperinflation in der Historie

Ein Blick in die Geschichte zeigt, welche schwerwiegenden Folgen eine immer weiter steigende Inflationsrate haben kann. Die Weimarer Republik gibt ein Beispiel für die sogenannte Hyperinflation. Im Ersten Weltkrieg verloren die Deutschen ihr Vermögen. Um die Kaufkraft aufrecht zu erhalten und die geforderten Reparationszahlungen leisten zu können, druckte die Zentralbank immer mehr Geld nach. Da das Angebot an Produkten jedoch unverändert gering blieb, explodierten die Preise. Am 23. Dezember 1923 kostete ein Liter Milch so ganze 360 Milliarden Mark.

Politische Misswirtschaft und der Einbruch des Ölpreises führten Venezuela in eine Hyperinflation, die bis heute anhält. 2020 ließ der Staat sogar eine Eine-Million-Banknote drucken, bevor die Regierung den Bolivar schließlich um sechs Nullen abwertete.

Kreditnehmer können profitieren

Wie wirkt sich die Inflation nun auf private Schulden aus? Verbraucher mit bestehenden Ratenkrediten können von einer steigenden Inflationsrate durchaus profitieren. Damit Banken ihre Kosten ausgleichen können und an der Kreditvergabe verdienen, liegen Kreditzinsen in der Regel über der Inflationsrate. Eine unerwartet hohe Preisbildung wird bei der Berechnung der Kreditzinsen jedoch meist nicht berücksichtigt.

Im Extremfall kann eine starke Inflation sogar zu einer negativen Realzinsentwicklung führen. Vorteilhaft ist eine hohe Inflationsrate daher vor allem für Verbraucher, die sich für einen Ratenkredit mit fester Zinsrate und geringer Tilgung entschieden haben. Ihre Kredite werden rein rechnerisch billiger.

Preisanstiege belasten den Niedriglohnsektor

Mit der Entwertung des Geldes verlieren auch Schulden an Wert. Dennoch können sich nur die wenigsten Schuldner über eine hohe Inflationsrate freuen. Die Einkommen steigen meist nicht im selben Maße wie die Lebenshaltungskosten. Um ihre höheren Ausgaben zu decken, reduzieren viele Unternehmen zudem die Arbeitszeiten oder entlassen Mitarbeiter. Zugleich verliert angespartes Vermögen an Kaufkraft.

Hart trifft die Inflation insbesondere den Niedriglohnsektor. Geringverdiener können kaum mit steigenden Löhnen rechnen. Eventuell kann bereits die nächste Nebenkostenabrechnung nicht mehr aus eigener Tasche bezahlt werden. Das Risiko einer Überschuldung steigt.

Im Gegensatz zu bestehenden Ratenkrediten sind neu aufgenommene Darlehen allerdings nicht mehr zu günstigen Zinssätzen zu bekommen. Die EZB hat zum ersten Mal seit 2016 den Leitzins erhöht. Kreditinstitute geben diese Kosten direkt an Verbraucher weiter.

Schulden-Ersteinschätzung

– kostenlos, schnell, bundesweit –

Hohe Inflationsraten bergen das Risiko gesellschaftlicher Verwerfungen

Eine starke Inflation birgt noch ein weiteres Risiko: Verliert Geld an Wert und Verbraucher müssen sich verschulden, während wenige Reiche profitieren, steigt die Unzufriedenheit mit der Politik. Einige Parteien machen sich dies zunutze, indem sie vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen. Eine hohe Inflationsrate kann daher zu einer Radikalisierung der Gesellschaft führen.

FAQ

Was passiert mit meinem Kredit bei einer Inflation?

Die vertraglich festgelegten Kreditkonditionen bleiben auch während einer Inflation bestehen. Kreditnehmer zahlen weiterhin die vereinbarte Rate zum festgelegten Zinssatz. Während andere Kosten steigen, bleiben die Kreditkosten gleich. Eine Ausnahme besteht lediglich bei Ratenkrediten mit flexiblen Zinssätzen. Diese können von der Bank an die steigende Inflationsrate angepasst werden.

Was passiert mit Schulden, wenn das Geld nichts mehr wert ist?

Während einer Inflation verlieren Schulden im selben Maße an Wert wie das Geld. Ist Geld tatsächlich nichts mehr wert, könnte es so zur Entschuldung kommen. In der Praxis sind dafür jedoch plötzliche Inflationsraten von 15 Prozent und mehr notwendig und die Zinssteigerung muss unterhalb der Inflationsrate liegen.

Werden Schulden bei einer Inflation weniger?

Rein rechnerisch ja. Wer sich heute 1.000 Euro leiht, hat auch dann noch genau 1.000 Euro Schulden, wenn Preise und Löhne steigen. Diese 1.000 Euro sind dann allerdings weniger wert.

Was passiert mit den Schulden bei einer Deflation?

Deflation bezeichnet das Gegenteil der Inflation, den Preisverfall. Die nominale Höhe der Schulden und geschuldeten Zinsen bleibt während einer Deflation gleich. Da Geld an Wert gewinnt, erhöht sich aber die reale Schuldenlast. Eine Deflation kann daher zur Insolvenz einiger Schuldner führen.

Ist es gut, bei einer Inflation Schulden zu haben?

Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Für Kreditnehmer kann eine Inflation vorteilhaft sein. Steigende Zinssätze und ausbleibende Lohnerhöhungen können jedoch dazu führen, dass Haushalte mit niedrigem Einkommen neue Schulden aufnehmen müssen und in die Überschuldung geraten.

Was passiert mit meinem Kredit wenn der Euro zerbricht?

Nehmen wir einmal an, der Euro hätte als Gemeinschaftswährung ausgedient. Neues Bargeld müsste gedruckt, die IT-Systeme von Banken und Unternehmen müssten umgestellt und Verträge neu formuliert werden. Neben diesen organisatorischen Herausforderungen würde der Zusammenbruch des Euros und die Rückkehr zu nationalen Währungen nach Meinung von Experten höchstwahrscheinlich eine (starke) Inflation auslösen. Kreditraten, die zuvor in Euro gezahlt wurden, würden in der neuen Währung vermutlich günstiger werden, d.h. die Schuldenlast würde sich verringern. Da die Inflation zu steigenden Lebenshaltungskosten führt, könnte die Rückzahlung des Kredits dennoch schwieriger werden.

Foto: Andrey Popov / stock.adobe.com

Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)
Oliver Schulz

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

Nach oben scrollen