Seit Anfang September erhalten Verbraucher, die der Einkommensteuerpflicht unterliegen, die sogenannte Energiepreispauschale (EPP). Die Bundesregierung möchte durch die Einmalzahlung von 300 Euro die finanzielle Mehrbelastung durch steigende Energiepreise auffangen.
Doch wie verhält es sich mit der Energiepreispauschale bei einer Lohnpfändung oder Kontopfändung?
Die Energiepreispauschale als Entlastung für steigende Energiepreise
Die Energiepreispauschale soll Beschäftigte entlasten, die für ihre Arbeit typischerweise Fahrtkosten zahlen müssen und dadurch besonders von den steigenden Energiepreisen betroffen sind. Angestellte erhalten die EPP von ihrem Arbeitgeber. Bei Forst- und Landwirten, Gewerbetreibenden und andere Selbstständigen werden die 300 Euro von der Einkommensteuervorauszahlung abgezogen.
Die EPP ist sozialversicherungsfrei, aber steuerpflichtig. Wird sie zusammen mit dem Arbeitslohn ausbezahlt, erfolgt die Versteuerung mit dem nächsten Lohnsteuerabzug. Wer die EPP durch eine verminderte Vorauszahlung erhält, muss sie auf dem nächsten Einkommensteuerbescheid angeben.
Energiepreispauschale: pfändungsfrei oder nicht?
Die EPP ist für viele Haushalte zumindest eine kleine finanzielle Erleichterung. Für Schuldner, die von einer Lohn- oder Kontopfändung betroffen sind, stellt sich allerdings die Frage, ob sie die EPP überhaupt behalten dürfen oder ob die 300 Euro gepfändet werden können.
INFO-BOX: Unterschied Lohn- und Kontopfändung
- Lohnpfändung: Der Arbeitnehmer erhält nur den pfändungsfreien Betrag seines Arbeitslohns ausbezahlt. Der Rest fließt direkt an die pfändenden Gläubiger.
- Kontopfändung: Gepfändet wird das Guthaben auf dem Bankkonto des Schuldners, unabhängig davon, aus welcher Quelle das Geld stammt. Dem Schuldner bleibt lediglich der Pfändungsfreibetrag.
Energiepreispauschale und Lohnpfändung
In der Gesetzgebung zum zweiten Entlastungspaket wurde die EPP nicht von vornherein als unpfändbar festgeschrieben. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung kritisiert diese Versäumnis, da sie Unsicherheit bei den Verbrauchern schürt.
Mittlerweile hat das Bundesfinanzministerium klargestellt, dass die Energiepreispauschale bei einer Lohnpfändung nicht berücksichtigt wird. Die Begründung: Aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht handelt es sich bei der EPP nicht um Arbeitslohn oder Arbeitsentgelt. Die steuerrechtliche Einordnung der EPP ist für diese Betrachtung irrelevant.
Energiepreispauschale und Kontopfändung
Komplizierter wird die Sachlage bei der Kontopfändung. Hat der Schuldner von der Bank ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto (P-Konto) einrichten lassen, wird bei einer Kontopfändung automatisch ein Grundfreibetrag von derzeit 1.500 Euro geschützt (Stand: 1.7.2024, siehe Pfändungstabelle). Die Gläubiger erhalten nur, was über diese Summe hinausgeht.
Wer bestimmte Sozialleistungen erhält oder für unterhaltspflichtige Angehörige aufkommen muss, kann sich weitere Erhöhungsbeträge freigeben lassen. Dafür muss man der Bank eine P-Konto-Bescheinigung vorlegen. Die gibt es zum Beispiel vom Arbeitgeber, von den Familienkassen, den Sozialleistungsträgern, anerkannten Schuldnerberatungsstellen und Rechtsanwälten.
Die Energiepreispauschale stellt ebenfalls eine staatliche Sozialleistung dar. Derartige einmalige Sozialleistungen werden normalerweise zu den Erhöhungsbeiträgen gezählt, die bei einer Pfändung unberührt bleiben. Ob das auch für die EPP der Fall ist, ist aktuell jedoch noch unklar. Möglich ist, dass die EPP genau wie die Corona-Soforthilfen dem Pfändungsschutz gemäß Zivilprozessordnung unterliegt (§ 851 ZPO und § 906 ZPO). Eine rechtliche Klarstellung durch den Gesetzgeber steht aber noch aus.
Wie sollten sie Schuldner nun verhalten? Wird die EPP über den Arbeitgeber ausbezahlt, sollte man mit diesem in Kontakt treten und sich eine P-Konto-Bescheinigung ausstellen lassen. Anschließend muss man die Bescheinigung beim zuständigen Amtsgericht vorlegen, das dann entscheidet, ob sie als Erhöhungsbetrag gilt oder nicht. Wer die EPP auf anderem Wege erhält, wendet sich am besten an eine Schuldnerberatung.
Kinderbonus und Pfändungsschutz
Zum Entlastungspaket der Bundesregierung gehört auch der sogenannte Kinderbonus. Familien erhalten für jedes kindergeldberechtigte Kind eine Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro. Genau wie die Energiepreispauschale wird der Kinderbonus nicht als Einkommen gewertet.
Als Kindergeldleistung ist der Kinderbonus zudem sowohl vor einer Lohn- als auch vor einer Kontopfändung geschützt. Um sich den Betrag bei einer Kontopfändung freigeben zu lassen, müssen Eltern eventuell eine P-Konto-Bestätigung bei der Familienkasse anfordern.
Energiepreispauschale FAQ
Wer hat Anspruch auf die Energiepauschale?
Anspruch auf die EPP haben Personen, die im Jahr 2022 in Deutschland wohnen, der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen und Einkünfte aus erwerbstätiger Arbeit, Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit beziehen. Arbeitnehmer mit deutschem Wohnsitz, die bei einem Arbeitgeber im Ausland beschäftigt sind, bekommen die EPP ebenfalls, sofern sie eine Einkommensteuererklärung bei ihrem deutschen Finanzamt einreichen. Rentner, Pensionäre und Empfänger von Versorgungsbezügen erhalten keine EPP.
Wer zahlt die 300 Euro Energiepauschale?
Die EPP wird vom Arbeitgeber ausgezahlt. In gewissen Fällen bestehen Ausnahmen, zum Beispiel bei kurzfristiger Beschäftigung oder bei Minijobbern. Um die EPP dennoch zu erhalten, müssen Beschäftigte eine Steuererklärung abgeben. Die Pauschale wird dann bei der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigt. Bei Selbständigen, Gewerbetreibenden sowie Land- und Forstwirten verringert sich die Einkommensteuervorauszahlung um die Summe der nächsten EPP. Liegt die Vorauszahlung unter 300 Euro, wird sie auf 0 Euro zurückgesetzt. Werden für 2022 keine Vorauszahlungen geleistet, berücksichtigt das Finanzamt die EPP bei der nächsten Einkommensteuerveranlagung.
Wann bekommt man 300 Euro Energiepauschale?
Arbeitnehmer bekommen die EPP im September 2022. Gibt der Arbeitgeber die Lohnsteuer-Anmeldung vierteljährlich ab, kann sich die Auszahlung auf Oktober 2022 verschieben. Bei Selbständigen, Gewerbetreibenden sowie Land- und Forstwirten wird die EPP von der am 10. September 2022 fälligen Einkommensteuervorauszahlung abgezogen.
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Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.