Schuldneratlas 2021: Geringere Überschuldung trotz Corona-Krise

Schuldneratlas 2021: Geringere Überschuldung trotz Corona-Krise

Trotz Corona-Krise sinkt die Zahl der überschuldeten Verbraucher in Deutschland weiter. Das geht aus dem Schuldneratlas 2021 hervor, den Creditreform am 10. November 2021 veröffentlicht hat. Die aktuelle Überschuldungsquote liegt erstmals seit Jahren unter 9 Prozent. Die Finanzexperten warnen jedoch: Die finanziellen Auswirkungen der Pandemie werden sich verspätet zeigen.

Überschuldungsquote sinkt auf 8,86 Prozent

Im jährlich veröffentlichten Schuldneratlas untersucht die Creditreform Wirtschaftsforschung zusammen mit ihren Tocherfirmen Boniversum und microm, wie sich die Überschuldung von privaten Verbrauchern in Deutschland kleinräumig verteilt und entwickelt.

Als überschuldet gilt, wer seine Verbindlichkeiten weder aus seinem Vermögen noch aus den erwarteten Einnahmen decken kann. Im Jahr 2021 trifft das laut Schuldneratlas auf 6,16 Millionen Menschen in Deutschland zu. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der überschuldeten Personen um 695.000 zurückgegangen. Die Überschuldungsquote erreicht erstmals einen Wert von unter 9 Prozent und liegt nun bei 8,86 Prozent – 1,01 Prozentpunkte unter dem Wert vom Vorjahr. Die sogenannte Überschuldungsampel springt damit auf hellgrün.

Dieser positive Trend betrifft sowohl „harte“ Überschuldungsfälle mit juristisch relevanten Sachverhalten als auch „weiche“ Überschuldungen mit geringer Intensität. Die Zahl der „harten“ Überschuldungen reduziert sich im Vergleich zum Vorjahr um 225.000 Fälle (- 5,9 Prozent), die Zahl der „weichen“ Überschuldungen geht sogar um 470.000 Fälle (- 15,5 Prozent) zurück.

Überschuldungsquote nach Alter und Geschlecht

Vor allem jüngere Verbraucher konnten ihre Überschuldung abbauen. In der Gruppe der unter 30-jährigen sinkt die Überschuldungsquote von 9,63 Prozent im Jahr 2020 auf 6,98 Prozent im Jahr 2021. Die Altersgruppe der 30- bis 39-jährigen weist wie in den Vorjahren die höchste Überschuldungsquote auf. Der Wert liegt aktuell bei 15,13 Prozent. Das entspricht aber immer noch einem Rückgang von 2,18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Älteren Menschen scheint es deutlich schwerer zu fallen, sich aus den Schulden zu befreien. Die Altersgruppe der 60- bis 69-jährigen weist als einzige einen Anstieg von Überschuldungsfällen auf. Die Überschuldungsquote steigt um 0,28 Prozentpunkte auf nun 7,32 Prozent. Bei den über 70-jährigen nimmt die Überschuldungsquote geringfügig um 0,44 Prozentpunkte ab und liegt bei 3,17 Prozent.

Die meisten Schuldner sind nach wie vor Männer, ihre Überschuldungsquote geht jedoch um 1,2 Prozentpunkte auf 11,07 Prozent zurück. Bei den Frauen zeigt sich ein ähnlicher Trend, der Rückgang fällt mit 0,83 Prozentpunkten allerdings etwas niedriger aus. Die aktuelle Überschuldungsquote der Frauen beträgt 6,75 Prozent.

Überschuldung nach Bundesländern: Bremen bleibt Spitzenreiter

Ein Rückgang der Überschuldungsfälle lässt sich für 2021 in allen Bundesländern verzeichnen. Am höchsten fällt dieser in Hamburg aus. In der Hansestadt sinkt die Überschuldungsquote um 1,43 Prozentpunkte auf 9,10 Prozent.

Das Bundesland mit der niedrigsten Überschuldungsquote ist wie in den Vorjahren Bayern, die höchste Überschuldungsquote weist Bremen auf.

Die Top 3 der Bundesländer im Überblick:

Höchste Überschuldungsquote:

  1. Bremen: 12,81 Prozent (- 1,16 Prozent)
  2. Sachsen-Anhalt: 11,56 Prozent (- 1,06 Prozent)
  3. Berlin: 10,81 Prozent (- 1,21 Prozent)

Niedrigste Überschuldungsquote:

  1. Bayern: 6,43 Prozent (- 0,71 Prozent)
  2. Baden-Württemberg: 7,28 Prozent (- 0,83 Prozent)
  3. Thüringen: 8,32 -Prozent (- 0,82 Prozent)

Sechs Hauptgründe für Überschuldung

Aus welchen Gründen verschulden sich die deutschen Verbraucher? Aus den Daten des Statistischen Bundesamtes leitet der Schuldneratlas 2021 sechs Hauptgründe ab, die bei insgesamt 83 Prozent der Fälle Auslöser der Überschuldung sind:

  • Arbeitslosigkeit – 19 Prozent
  • Erkrankung, Sucht, Unfall – 18 Prozent
  • Unwirtschaftliche Haushaltsführung – 14 Prozent
  • Trennung, Scheidung, Tod des Partners – 12 Prozent
  • Längerfristiges Niedrigeinkommen – 11 Prozent
  • Gescheiterte Selbstständigkeit – 9 Prozent
  • Sonstige Auslöser – 17 Prozent

Auswirkungen der Corona-Krise werden sich verspätet zeigen

Lockdown, Kurzarbeit, zeitweise geschlossene Betriebe: Die Corona-Pandemie ist für viele Verbraucher mit starken finanziellen Einbußen einhergegangen. Dennoch hat sich die Überschuldungslage vieler Haushalte in den letzten zwölf Monaten verbessert. Auch das hängt direkt mit der Corona-Krise zusammen: Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben die Konsummöglichkeiten verringert. Verbraucher hatten weniger Optionen, Geld auszugeben, was zu einem sprunghaften Anstieg der Sparquote geführt hat.

Die Finanzexperten von Creditreform warnen jedoch, dass sich die negativen Effekte der Pandemie, u.a. auch Insolvenzverfahren, zeitverzögert zeigen werden. Bis sich eine offene Forderung in ein „hartes“ Überschuldungsmerkmal mit juristischen Konsequenzen wandelt, vergehen im Schnitt acht bis 32 Wochen.

Viele Verbraucher leiden daher weiterhin unter finanziellem Stress. Das zeigt die Auswertung von fünf repräsentativen Umfragen, die Boniversum und Creditreform von Mai 2020 bis Oktober 2021 durchgeführt haben. Demnach sind 2021 rund 32 Prozent der deutschen Haushalte von Einkommenseinbußen betroffen. Zwar beurteilen 34 Prozent der Befragten ihre aktuelle finanzielle Situation als „gut“ oder „sehr gut“ – zwei Drittel aller Verbraucher (33 Prozent) befürchten jedoch, in den kommenden zwölf Monaten ausstehende Verbindlichkeiten nicht bezahlen zu können. Das sind acht Prozent mehr als im Oktober 2020. Steigende Kosten für Strom, Kraftstoff, öffentliche Verkehrsmittel und Lebensmittel tragen zum finanziellen Stress bei. Das berichten 76 Prozent der befragten Personen.

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Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)
Oliver Schulz

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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