Ist Trinkgeld pfändbar?

Ist Trinkgeld pfändbar?

Servicekräfte im Restaurant, Friseure, Taxifahrer und auch Handwerker: Wer einmalige oder temporäre Dienstleistungen erbringt, erhält in aller Regel ein Trinkgeld. Zwischen fünf und zehn Prozent des Gesamtbetrags gelten in Deutschland als angemessen, abhängig von der jeweiligen Branche.

Doch was geschieht mit dem Trinkgeld, wenn es zu einer Pfändung kommt? Der folgende Artikel gibt Antworten.

Wie viel Trinkgeld ist eigentlich angemessen?

Das Trinkgeld ist eine freiwillige Zahlung, die eine besondere Dienstleistungsqualität honorieren soll. In Deutschland ist es bereits seit dem Mittelalter bekannt. Der Begriff stammt vermutlich daher, dass die Spender die zusätzliche Entlohnung mit dem Wunsch gaben, man möge auf ihr Wohl trinken.

Wie viel Trinkgeld Servicekräfte erhalten, variiert international. In den meisten Ländern liegt man mit zehn bis 15 Prozent vom Rechnungsbetrag im angemessenen Bereich. In den skandinavischen Ländern enthält die Rechnung von Hotels und Restaurants bereits einen Servicebetrag, üblicherweise wird der Rechnungsbetrag dennoch aufgerundet. In asiatischen Ländern wie Japan gilt es dagegen als unhöflich, etwas zusätzlich zu geben.

Ein Sonderfall sind die USA: Das Trinkgeld (engl. = tip) gilt hier als fester Bestandteil des Einkommens von Servicekräften. Als angemessen gilt daher eine Summe von 20 Prozent des Rechnungsbetrags.

In einigen Branchen ist Trinkgeld verboten: Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen dürfen z.B. kein Trinkgeld annehmen. Bietet man Mitarbeitern von öffentlichen Amtsträgern ein Trinkgeld an, kann dies als Bestechungsversuch gewertet und sogar strafrechtlich verfolgt werden.

Trinkgelder während der Corona-Krise

Während der Corona-Pandemie haben viele Verbraucher finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Wie eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Onlinebank N26 herausfand, zeigten sich die Deutschen beim Trinkgeld dennoch spendabel.

32 Prozent der Befragten gaben an, sogar mehr zu geben als vor der Pandemie. Im Zuge der steigenden Inflation fällt das Trinkgeld in der Gastronomie jedoch wieder magerer aus.

Trinkgelder und Steuer

In manchen Betrieben wird das Trinkgeld gesammelt und am Ende der Schicht auf die Beschäftigten aufgeteilt. Einbehalten darf der Arbeitnehmer es jedoch nicht (§ 107 Gewerbeordnung).

Trinkgelder aus nicht-selbständiger Arbeit müssen in der Regel nicht versteuert werden. Das gilt für alle Zusatzbeträge, die Gäste freiwillig zahlen. Für auf der Rechnung aufgeführte automatische Bedienzuschläge fallen dagegen Steuern und Sozialabgaben an.

Selbständige und Freiberufler müssen Bonuszahlungen als Betriebseinnahmen verbuchen und bei der Umsatz- und Einkommenssteuer berücksichtigen.

Trinkgeld – pfändbar oder nicht?

Die gute Nachricht: Kommt es zur Lohnpfändung, dürfen Sie Ihr Trinkgeld behalten. Das vereinnahmte Trinkgeld zählt nicht zum Arbeitseinkommen im Sinne der Zivilprozessordnung (§ 850 Abs. 1 ZPO) und kann daher bei einer Forderungspfändung nicht gepfändet werden.

Der Grund: Arbeitgeber können nicht vorhersehen, wie viel Trinkgeld ihre Beschäftigten monatlich einnehmen. Eine Lohnpfändung des Trinkgelds ist daher nicht möglich. Weiterhin nehmen die Beschäftigten das Trinkgeld persönlich ohne Rechtsanspruch ein. Daraus folgt, dass auch Rechtsansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind.

Gläubiger können Trinkgelder höchstens per Taschenpfändung durch den Gerichtsvollzieher einziehen lassen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.07.2001 – 8 W 569/00). Die Taschenpfändung bezeichnet eine Art der Sachpfändung, bei der ein Gerichtsvollzieher die Kleidung und Taschen des Schuldners nach pfändbaren Wertsachen durchsucht. Voraussetzung ist ein Vollstreckungstitel.

Da die Taschenpfändung ins Persönlichkeitsrecht des Schuldners eingreift, wird sie meist nur bei einem begründeten Verdacht gestattet, dass ein Schuldner pfändbare Wertsachen der Zwangsvollstreckung entziehen will. Für gewöhnlich muss sie zudem angemeldet werden.

Hilfe bei finanziellen Problemen

Im Idealfall lassen Sie es gar nicht erst zu einer Pfändung kommen. Geraten Sie in Zahlungsschwierigkeiten, wenden Sie sich am besten möglichst frühzeitig an eine professionelle Schuldnerberatungsstelle.

Dort kann man Ihnen helfen, einen besseren Überblick über Ihre Finanzen zu bekommen, und unterstützt Sie beim Schuldenvergleich mit Ihren Gläubigern. Oft lässt sich eine gütliche Einigung erwirken. Ein weiterer Weg in ein schuldenfreies Leben ist die Verbraucherinsolvenz, mit der Sie nach max. 3 Jahren schuldenfrei sind.

Foto: ipopba / stock.adobe.com

Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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