Droht bei Selbstständigen und Freiberuflern die Pfändung, stellt sich die Frage, wie sich das pfändbare Einkommen berechnet. Anders als Angestellte beziehen Selbstständige kein monatlich gleichbleibendes Gehalt.
Wie das Nettoeinkommen bei Selbstständigen bestimmt wird und welche Pfändungsfreigrenzen gelten, erfahren Sie hier.
Das Wichtigste – kurz & knapp
- Auch Selbstständigen und Freiberuflern steht ein pfändungsfreier Betrag zur Existenzsicherung zu.
- Pfänden Gläubiger Forderungen bei Auftraggebern des Selbstständigen, berechnet das Gericht den pfändungsfreien Betrag nach „freier Schätzung“.
- Im Falle einer Kontopfändung sichern Sie sich mit einem P-Konto die pfändungsfreien Beträge.
- Im Insolvenzverfahren berechnet der Insolvenzverwalter ein fiktives Einkommen, das dem Einkommen bei adäquater angestellter Tätigkeit entspricht.
Pfändungsfreibeträge für Selbstständige: Welche Pfändungstabelle gilt?
Verschuldeten Menschen, die in die Zwangsvollstreckung geraten, steht von Gesetzes wegen ein gewisser Freibetrag zur Sicherung des Existenzminimums zu. Die Höhe des Freibetrags ist der sogenannten Pfändungstabelle zu entnehmen, die der Gesetzgeber jährlich zum 1. Juli an die wirtschaftlichen Entwicklungen anpasst.
Der Grundfreibetrag für Menschen ohne Unterhaltsverpflichtungen liegt derzeit bei 1.491,75 Euro (Stand: 1. Juli 2024). Sind Schuldner anderen Personen gegenüber unterhaltspflichtig, erhöhen sich die Freigrenzen.
Besteht Unterhaltspflicht gegenüber einer Person, liegt die Pfändungsfreigrenze beispielsweise bei 2.059,99 Euro, bei Unterhaltspflicht gegenüber zwei Personen beträgt sie 2.369,99 Euro.
Pfändungstabellen: Pfändungstabelle 2024 / 2025 – Pfändungstabelle 2023 / 2024 – Pfändungstabelle 2022 / 2023 – Pfändungstabelle 2021 / 2022
Ein pfändungsfreier Betrag steht auch Selbstständigen und Freiberuflern zu. Das ergibt sich aus der Zivilprozessordnung (ZPO).
Zwar handelt es sich bei den Einnahmen von Selbstständigen nicht um Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 ZPO, das Vollstreckungsgericht muss dem Schuldner auf Antrag aber so viel Geld belassen, wie ihm nach „freier Schätzung“ im Falle einer angestellten Tätigkeit verbleiben würde (§ 850i Abs. 1 ZPO).
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Pfändung bei Auftraggebern: So reagieren Sie richtig
Haben Sie als Selbstständiger Schulden, kann es sein, dass Gläubiger Forderungen bei Ihren Auftraggebern pfänden. Tritt dieser Fall ein, sollten Sie umgehend bei Gericht einen Antrag nach § 850i Abs. 1 ZPO auf Freigabe des Pfändungsfreibetrags stellen.
Das Nettoeinkommen ergibt sich aus den Bruttoeinkünften abzüglich notwendiger Kosten aus der Selbstständigkeit (etwa Umsatzsteuer und Steuervorauszahlungen) und gesetzlicher Pflichtzahlungen (z. B. Kranken- und Pflegeversicherung).
Einkünfte und abziehbare Kosten müssen Sie dem Gericht nachweisen – und zwar in einer Form, die auch ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse verständlich ist. Diese Nachweise zusammenzustellen, ist oft mühsam und nimmt viel Zeit in Anspruch.
Beantragen Sie daher die vorläufige Einstellung der Vollstreckung bis zur Entscheidung des Gerichts. Um Fehler zu vermeiden, lassen Sie sich am besten von einem versierten Fachanwalt beraten.
Übrigens: Die Altersvorsorge Selbstständiger durch private Rentenversicherungen, Lebensversicherungen, Rürup-Rente etc. ist in gleichem Maße vor der Pfändung geschützt wie der Rentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Ist Rente pfändbar?). Gepfändet werden darf nur in den Grenzen des Arbeitseinkommens (§ 850c ZPO).
Kontopfändung bei Selbstständigen: P-Konto einrichten
Pfänden Ihre Gläubiger das Geschäftskonto, lassen Sie dieses umgehend in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) umwandeln. Die Umwandlung müssen Sie persönlich beantragen. Nach Erhalt des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜb) bleiben Ihnen dafür vier Geschäftstage.
Das P-Konto sichert automatisch den gesetzlichen Grundfreibetrag. Bestehen Unterhaltsverpflichtungen oder erhalten Sie weitere pfändungsfreie Bezüge wie etwa Kindergeld, können Sie die Erhöhung des Freibetrags beantragen.
Dafür müssen Sie der Bank eine sogenannte P-Konto-Bescheinigung vorlegen, aus der die Höhe der pfändungsfreien Bezüge hervorgeht.
Achtung: Ein P-Konto kann nur von natürlichen Personen eröffnet werden, also etwa von Solo-Selbstständigen und Personengesellschaften. Für Kapitalgesellschaften besteht diese Möglichkeit nicht.
Pfändungsfreigrenzen im Insolvenzverfahren: Fiktives Einkommen
Melden Selbstständige Insolvenz an, wird gemäß Insolvenzordnung (InsO) ein fiktives Einkommen berechnet (§ 295a InsO). Das fiktive Einkommen entspricht dem Einkommen, das der Schuldner aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung bei einer adäquaten angestellten Tätigkeit vermutlich erhalten würde.
Die Berechnung des fiktiven Einkommens obliegt dem Insolvenzverwalter. Zur Orientierung dienen Tarifverträge und Daten der Agentur für Arbeit. Halten Sie das fiktive Einkommen für zu hoch, können Sie die Berechnung vom Vollstreckungsgericht prüfen lassen.
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Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.