Haben Gläubiger einen vollstreckbaren Titel erwirkt und möchten per Lohnpfändung oder Kontopfändung an ihr Geld kommen, müssen Schuldner keineswegs ihr vollständiges Einkommen abgeben.
Der gesetzlich festgelegte Pfändungsfreibetrag sichert verschuldeten Menschen das Existenzminimum. Die pfändungsfreien Beträge sind in der sogenannten Pfändungstabelle festgelegt, die der Gesetzgeber gemäß § 850c Zivilprozessordnung (ZPO) jedes Jahr zum 1. Juli an die wirtschaftlichen Gegebenheiten anpasst.
Unter gewissen Voraussetzungen kann der pfändungsfreie Grundfreibetrag erhöht werden. Wir zeigen Ihnen, welche das sind.
Das Wichtigste – kurz & knapp
- Im Falle einer Pfändung steht Schuldnern ein gesetzlicher Pfändungsfreibetrag laut Pfändungstabelle zu.
- Eine Anhebung der Pfändungsfreigrenze ist unter anderem möglich, wenn Unterhaltsverpflichtungen bestehen oder Schuldner Sozialleistungen oder Kindergeld erhalten.
- Um den pfändungsfreien Betrag erhöhen zu lassen, müssen der Bank Belege vorgelegt werden, etwa eine von geeigneten Stellen ausgestellte P-Konto-Bescheinigung.
- Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Erhöhung des Freibetrags beim zuständigen Vollstreckungsgericht oder bei der vollstreckenden Behörde zu beantragen.
Wann eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrags möglich ist
Sowohl bei einer Lohnpfändung als auch bei einer Kontopfändung bleibt pro Monat ein bestimmter Freibetrag geschützt, über den Schuldner frei verfügen können.
Bei einer Lohnpfändung steht Ihnen seit dem 1. Juli 2024 im Monat ein Grundfreibetrag von 1.491,75 Euro zu. Bei einer Kontopfändung bleibt Ihnen ein aufgerundeter Betrag von 1.500 Euro im Monat erhalten. Voraussetzung ist, dass Sie Ihr Girokonto rechtzeitig in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) umwandeln lassen.
Info: Auch während einer Privatinsolvenz kommen Pfändungsfreigrenzen zum Tragen, siehe Pfändungstabelle 2024/25.
Die Zivilprozessordnung definiert bestimmte Fälle, in denen eine Anhebung des Grundfreibetrags möglich ist (§ 902 ZPO):
- Sie beziehen Unterhaltsleistungen, z. B. für einen Ehepartner oder für Kinder.
- Sie beziehen Geldleistungen für nicht unterhaltspflichtige Personen, die mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
- Ihnen werden einmalige Sozialleistungen gewährt, etwa als Unterstützung für eine Klassenfahrt oder für einen Umzug.
- Sie beziehen Leistungen gemäß dem Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz.
- Sie erhalten Geldleistungen aus einer Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“.
- Sie erhalten Kindergeld oder andere gesetzliche Geldleistungen für Kinder.
- Sie beziehen Leistungen nach landesrechtlichen oder bundesrechtlichen Rechtsvorschriften, die als unpfändbar festgelegt sind.
Gut zu wissen: Auch Nachzahlungen von Arbeitslohn und berufliche Mehraufwendungen können Sie vor der Pfändung schützen lassen. Letzteres ist unter anderem möglich, wenn Sie hohe Fahrtkosten für einen langen Arbeitsweg nachweisen können.
Pfändungsfreibetrag erhöhen lassen – so gehen Sie vor
Um den Pfändungsfreibetrag anheben zu lassen, müssen Sie selbst aktiv werden.
Sie haben drei Optionen:
- Sie legen der Bank geeignete Unterlagen vor, aus denen z. B. Ihre Unterhaltsverpflichtungen hervorgehen.
- Sie legen eine P-Konto-Bescheinigung von berechtigten Institutionen vor.
- Sie stellen einen Antrag auf Erhöhung der Pfändungsfreigrenze beim zuständigen Vollstreckungsgericht bzw. der zuständigen Stelle der vollstreckenden Behörde.
1. Vorlage geeigneter Unterlagen
Sind Sie anderen Personen gegenüber unterhaltspflichtig, reicht es in der Regel aus, Ihrer Bank diesen Umstand durch die Vorlage geeigneter Dokumente nachzuweisen.
2. Vorlage einer P-Konto-Bescheinigung
Möchten Sie weitere Geldleistungen freigeben lassen, müssen Sie bei Ihrer Bank eine sogenannte P-Konto-Bescheinigung vorlegen. Darin wird aufgeführt, um welchen Betrag die Pfändungsfreigrenze anzuheben ist.
Die Bescheinigung darf nur von berechtigten Institutionen ausgestellt werden (§ 903 Abs. 1 ZPO). Dazu gehören:
- Jobcenter bzw. Sozialamt
- Familienkasse
- Anerkannte Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen
- Rechtsanwälte und Steuerberater
- Arbeitgeber
Wichtig: Behörden dürfen nur den Bezug der Leistungen bescheinigen, die sie selbst auszahlen. Beziehen Sie z. B. Sozialleistungen und Kindergeld, müssen Sie jeweils eine P-Konto-Bescheinigung beim Sozialamt und bei der Familienkasse einholen. Schuldnerberatungsstellen und Rechtsanwälte dürfen dagegen eine Bescheinigung über alle Erhöhungsbeträge ausstellen.
Kosten der P-Konto-Bescheinigung
Beim Jobcenter und Sozialamt, beim Arbeitgeber und bei öffentlichen Schuldnerberatungsstellen erhalten Sie die P-Konto-Bescheinigung kostenlos. Jobcenter und das Sozialamt sind allerdings nicht dazu verpflichtet, eine P-Konto-Bescheinigung auszustellen. Gleiches gilt für Arbeitgeber.
Eine P-Konto-Bescheinigung beim Arbeitgeber zu beantragen hat zudem den Nachteil, dass dieser von der Pfändung erfährt. Bei öffentlichen Schuldnerberatungsstellen kann es hingegen sehr lange dauern, bis Sie Ihre Bescheinigung erhalten.
Benötigen Sie Ihre P-Konto-Bescheinigung umgehend, können Sie sich an einen Rechtsanwalt wenden. Für die Dienstleistung wird zwar eine geringe Gebühr fällig, dafür erhalten Sie das Dokument innerhalb kurzer Zeit per Post.
Die Bescheinigung müssen Sie anschließend nur noch bei Ihrer Bank einreichen, welche die erhöhten Beiträge innerhalb von zwei Geschäftstagen nach Vorlage freigeben muss (§ 903 Abs. 4 ZPO). Eine P-Konto-Bescheinigung ist grundsätzlich unbefristet gültig. Banken müssen sie für eine Dauer von mindestens zwei Jahren berücksichtigen.
3. Pfändungsfreigrenze vom Vollstreckungsgericht anheben lassen
Es kann vorkommen, dass eine Bank eine P-Konto-Bescheinigung nicht anerkennt. Ist das der Fall oder haben Sie Probleme, eine P-Konto-Bescheinigung zu erhalten, können Sie sich direkt ans zuständige Vollstreckungsgericht wenden. Diese Möglichkeit besteht auch, wenn Sie spezielle Beträge vor einer Pfändung schützen lassen möchten.
Zuständig ist im Regelfall das Amtsgericht an Ihrem Wohnort. Wird die Pfändung von einem öffentlichen Gläubiger wie dem Finanzamt durchgeführt, müssen Sie die Erhöhung des Freibetrags bei der Vollstreckungsstelle der jeweiligen Behörde beantragen.
Der Antrag auf Erhöhung des Pfändungsfreibetrags bedarf keiner speziellen Form und kann mündlich oder schriftlich gestellt werden. Normalerweise ist eine Bescheinigung über die Höhe des notwendigen Lebensbedarfs beizufügen, die Sie vom Sozialamt erhalten.
Eine Antragsfrist gibt es nicht, Kosten entstehen Ihnen durch den Gerichtsbeschluss für gewöhnlich ebenfalls nicht. Die Anhebung der Pfändungsfreigrenze tritt in Kraft, wenn der Beschluss des Gerichts bzw. der vollstreckenden Behörde dem Drittschuldner, also dem Arbeitgeber oder der Bank, zugestellt wird.
Achtung: Liegen mehrere Pfändungen vor, müssen Sie für jeden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss einen gesonderten Antrag stellen.
Um Ihre Erfolgsaussichten zu erhöhen, sollte Ihr Antrag gut begründet werden. Weiterhin ist es sinnvoll, aussagekräftige Dokumente beizufügen. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, die Unterstützung einer Schuldnerberatungsstelle oder eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.
FAQ
Kann ich meinen Pfändungsfreibetrag erhöhen?
Ja, unter gewissen Voraussetzungen ist es möglich, den Pfändungsfreibetrag anheben zu lassen.
Wo kann man den Pfändungsfreibetrag erhöhen lassen?
Um den Pfändungsfreibetrag zu erhöhen, müssen Sie sich in der Regel an den Drittschuldner wenden, also Ihren Arbeitgeber oder Ihre Bank.
Wann kann man den Pfändungsfreibetrag erhöhen?
Wann eine Erhöhung des Freibetrags möglich ist, regelt die Zivilprozessordnung (§ 902 ZPO). Der Grundfreibetrag wird unter anderem angehoben, wenn Sie anderen Personen gegenüber unterhaltspflichtig sind, Geldleistungen für nicht-unterhaltspflichtige Personen beziehen, Sozialleistungen oder Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz erhalten oder Sie Kindergeld beziehen. Weiterhin können Sie den Pfändungsfreibetrag für berufliche Mehraufwendungen erhöhen lassen, etwa für sehr hohe Fahrtkosten zum Arbeitsplatz.
Was brauche ich, um meine Pfändungsgrenze zu erhöhen?
Um Ihre Pfändungsfreigrenze anheben zu lassen, müssen Sie Belege vorweisen, etwa Unterlagen der auszahlenden Behörde oder eine P-Konto-Bescheinigung, die Sie bei der leistungsauszahlenden Stelle, bei anerkannten Schuldnerberatungsstellen, beim Arbeitgeber, bei einem Rechtsanwalt oder Steuerberater erhalten. Wird Ihnen keine P-Konto-Bescheinigung ausgestellt oder möchten Sie spezielle Beträge freigeben lassen, wenden Sie sich ans Vollstreckungsgericht bzw. die vollstreckende Behörde.
Wie lange braucht die Bank, um den Pfändungsfreibetrag zu erhöhen?
Die Bank muss eine Bescheinigung über erhöhte Freibeträge ab dem zweiten auf die Vorlage folgenden Geschäftstag berücksichtigen (§ 903 Abs. 4 ZPO).
Wie hoch ist der Pfändungsfreibetrag mit einem Kind?
Die Pfändungsfreigrenze bei einer unterhaltspflichtigen Person beträgt ab dem 1. Juli 2024 2.059,99 Euro. Sind Sie Ihrem Ehepartner und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig, liegt der Pfändungsfreibetrag bei 2.369,99 Euro.
Wie hoch ist der Pfändungsfreibetrag seit 1. Juli 2024?
Seit dem 1. Juli 2024 liegt der Grundfreibetrag bei 1.491,75 Euro im Monat. Bei einer Kontopfändung steht Schuldnern ein aufgerundeter Betrag von 1.500 Euro im Monat zu.
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Oliver Schulz
Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.