Insolvenzverfahren bei Einzelunternehmen

Insolvenzverfahren bei Einzelunternehmen

Gerät ein Einzelunternehmen in finanzielle Schwierigkeiten und kann seinen Zahlungsverpflichtungen langfristig nicht mehr nachkommen, steht das Insolvenzverfahren zur Schuldenregulierung zur Verfügung.

Mehr Informationen zum Ablauf der Insolvenz bei Einzelunternehmen, zu den Voraussetzungen und zur Antragsstellung finden Sie im folgenden Artikel.

Das Wichtigste – kurz & knapp

  • Einzelunternehmen können Insolvenz anmelden, wenn sie zahlungsunfähig, von Zahlungsunfähigkeit bedroht oder überschuldet sind.
  • Für Einzelunternehmen besteht keine Insolvenzantragspflicht.
  • Einzelunternehmer durchlaufen für gewöhnlich das Regelinsolvenzverfahren. Nach Ablauf einer dreijährigen Wohlverhaltensperiode ist eine Restschuldbefreiung möglich.

Insolvenzverfahren für Einzelunternehmen – Definition und Ziele

Bei einem Einzelunternehmen handelt es sich um eine Wirtschaftseinheit, die von einer einzelnen natürlichen Person gegründet werden kann. Im weiteren Sinne lässt sich darunter jede selbstständige Betätigung einer natürlichen Person verstehen, unabhängig davon, ob Arbeitnehmer beschäftigt werden oder nicht.

Zu den Einzelunternehmen zählen etwa Unternehmen eingetragener Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches, aber auch selbstständig tätige Landwirte, Gewerbetreibende oder Freiberufler.

Gerät ein Einzelunternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, bestehen mehrere Möglichkeiten zur Schuldenregulierung. Gelingt es nicht, das Unternehmen zu sanieren, steht noch der Weg ins Insolvenzverfahren offen.

Laut Insolvenzordnung (InsO) muss für einen erfolgreichen Insolvenzantrag einer dieser Insolvenzgründe vorliegen:

  • Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO): Das Unternehmen ist nicht mehr in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu decken bzw. dieser Fall wird bald eintreten.
  • Überschuldung (§ 19 InsO): Das Vermögen des Unternehmens reicht nicht aus, um alle offenen Forderungen zu decken.

Das Insolvenzverfahren gibt Einzelunternehmern die Möglichkeit, sich innerhalb einer absehbaren Zeit von ihren Schulden zu befreien. Die Verantwortung für das Unternehmen geht während des Verfahrens zumeist an einen gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter über, der das Vermögen auf die Gläubiger aufteilt.

Sofern die Insolvenzverwaltung zustimmt, dürfen Selbstständige ihr Unternehmen im laufenden Verfahren weiterführen. Das wird als „Freigabe in die Selbstständigkeit“ bezeichnet.

Am Ende des Insolvenzverfahrens steht die Restschuldbefreiung. Das Unternehmen muss im Rahmen einer Insolvenz auch nicht zwangsläufig liquidiert werden. Je nach Ausgangslage lässt sich das Einzelunternehmen eventuell restrukturieren und damit retten.

Insolvenzantragspflicht und Haftung
Wichtig zu wissen: Anders als juristische Personen wie eine GmbH und Kapitalgesellschaften unterliegen Einzelunternehmen nicht der Insolvenzantragspflicht gemäß §15a InsO. Damit gibt es auch keinen gesetzlich festgelegten Zeitpunkt, bis zum ein Insolvenzantrag zu stellen ist. Einzelunternehmer haften jedoch persönlich für die Schulden ihres Unternehmens. Das bedeutet, dass auch ihre privaten Vermögenswerte in die Insolvenzmasse einbezogen und an die Gläubiger verteilt werden können.

Regelinsolvenz oder Verbraucherinsolvenz?

Das deutsche Insolvenzrecht kennt zwei verschiedene Insolvenzverfahren: Die Regelinsolvenz und die Verbraucherinsolvenz, umgangssprachlich auch als Privatinsolvenz bezeichnet. Die Regelinsolvenz ist für Unternehmen aller Rechtsformen vorgesehen und damit auch das gängige Verfahren für Einzelunternehmen.

In gewissen Ausnahmefällen kann für Einzelunternehmer aber auch eine Verbraucherinsolvenz infrage kommen (§ 304 Abs. 1 InsO):

  • Die Selbstständigkeit wurde bereits beendet.
  • Es bestehen Schulden bei weniger als 20 verschiedenen Gläubigern.
  • Es bestehen keine Schulden aus Arbeitsverhältnissen, etwa durch offene Lohnforderungen oder Sozialversicherungsbeiträge.

Ablauf der Regelinsolvenz

Die Regelinsolvenz ist für Einzelunternehmen der Standard. Der Ablauf lässt sich grob in die folgenden Phasen einteilen:

1. Insolvenzantrag

Im ersten Schritt muss ein schriftlicher Antrag beim zuständigen Insolvenzgericht gestellt werden. Dabei handelt es sich in aller Regel um das Amtsgericht an dem Ort, an dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Die dafür nötigen Unterlagen sind meist auf der Website des Gerichtes zu finden. Der Antrag muss allerdings per Post oder persönlich eingereicht werden. Gemeinsam mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auch der Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen.

Übrigens können auch Gläubiger einen Antrag auf Insolvenzeröffnung stellen. In diesem Fall sollten Unternehmer unbedingt einen eigenen Antrag inklusive Antrag auf Restschuldbefreiung einreichen, um die Schulden nach Ablauf der sogenannten Wohlverhaltensperiode löschen zu lassen.

2. Verfahrenseröffnung

Nach Eingang des Antrags prüft das Gericht die Insolvenzgründe und eröffnet das Verfahren. In diesem Zuge wird auch ein Insolvenzverwalter bestellt und mit der Verwaltung der Insolvenzmasse beauftragt. Zur Insolvenzmasse zählen bei Einzelunternehmen das Unternehmensvermögen wie auch das private Vermögen des Selbstständigen.

3. Verwertung der Insolvenzmasse

Der Insolvenzverwalter ermittelt, wie viel Vermögen vorhanden ist und wie es sich verwerten lässt. Vermögenswerte wie Immobilien, Fahrzeuge und Maschinen werden für gewöhnlich verkauft und so liquidiert. Die erzielten Erlöse werden an die Insolvenzgläubiger verteilt.

4. Restrukturierung oder Liquidation

Erscheint eine Sanierung des Unternehmens noch möglich, wird ein Insolvenzplan erarbeitet und, sofern die Mehrheit der Gläubiger diesem zustimmt, umgesetzt. Andernfalls wird das Unternehmen abgewickelt.

5. Verfahrensende und Restschuldbefreiung

Wurde die Insolvenzmasse verwertet, folgt eine dreijährige Wohlverhaltensphase. Während dieses Zeitraums müssen Schuldner sich an gewisse Pflichten halten, sich zum Beispiel um ein regelmäßiges Einkommen bemühen. Nach Ablauf der Wohlverhaltensphase erfolgt die Restschuldbefreiung. Damit werden dem Schuldner so gut wie alle noch bestehenden Schulden erlassen. Eine Ausnahme sind Schulden aus nicht erlaubten Handlungen wie Straftaten (§ 302 InsO).

Im Laufe von größeren und komplexen Insolvenzverfahrens kann zudem zur Einberufung einer Gläubigerversammlung kommen. Dabei entscheiden die Gläubiger über die Verteilung der Insolvenzmasse.

Die Folgen für Einzelunternehmer

Mithilfe der Regelinsolvenz können sich zahlungsunfähige oder überschuldete Selbstständige von ihren Schulden befreien und in absehbarer Zeit den wirtschaftlichen Neuanfang wagen.

Das Insolvenzverfahren geht aber auch mit einigen Nachteilen einher, über die sich Schuldner bewusst sein sollten:

  • Während des Verfahrens bestimmt der Insolvenzverwalter über Fortführung oder Abwicklung des Unternehmens. Wer weiterhin selbstständig tätig sein oder sogar ein neues Unternehmen möchte, benötigt dafür ebenfalls die Zustimmung des Insolvenzverwalters.
  • Insolvenzen werden im sogenannten Insolvenzregister öffentlich gemacht und sind für alle Interessierten einsehbar.
  • Das Insolvenzverfahren führt zu einem negativen Schufa-Eintrag, wertet also die Kreditwürdigkeit ab. Der Eintrag wird erst sechs Monate nach Abschluss des Verfahrens gelöscht.

Dauer des Insolvenzverfahrens

Die Wohlverhaltensphase im Insolvenzverfahren dauert drei Jahre.

Das gesamte Verfahren kann sich jedoch auch länger hinziehen. Die genaue Dauer lässt sich nicht pauschal benennen, sondern hängt vom Einzelfall ab und wird unter anderem durch die Anzahl der Gläubiger und die Höhe der Schulden beeinflusst.

Bei Einzelunternehmen ist das zu verwertende Vermögen in der Regel überschaubar, was zu einem relativ kurzen Verfahren führen kann.

Kosten

Die Kosten der Regelinsolvenz sind vom Schuldner zu tragen. Sie richten sich nach der Höhe der Insolvenzmasse. Zu zahlen sind unter anderem die Gebühren für den Insolvenzverwalter.

Von den ersten 35.000 Euro der Insolvenzmasse erhält der Verwalter 40 Prozent, liegt die Insolvenzmasse zwischen 35.000 bis 70.000 Euro bekommt er 26 Prozent, usw. Die Mindestvergütung liegt bei 1.400 Euro. Hinzu kommen Gerichtskosten in Höhe von mindestens 300 Euro sowie die Gebühren für Anwalt und Beratung.

Die Verfahrenskosten werden zunächst der Insolvenzmasse zugerechnet, unterliegen aber nicht der Restschuldbefreiung. Schuldner können allerdings beantragen, die Kosten über vier Jahre hinweg in Raten zu zahlen. Schaffen sie es nicht, die offene Summe innerhalb dieses Zeitraums zu begleichen, kann der Staat gegebenenfalls auf die Forderung verzichten.

Fazit: Wirtschaftlicher Neustart durch Insolvenz

Das Insolvenzverfahren für Einzelunternehmen geht zwar mit Einschränkungen einher und Selbstständige haften auch mit ihrem Privatvermögen für Unternehmensschulden. Das Verfahren gibt Einzelunternehmern jedoch eine Chance, sich innerhalb absehbarer Zeit von ihren Schulden zu befreien.

Abhängig von der Ausgangslage lässt sich das Unternehmen eventuell sogar fortführen. Das ist umso wahrscheinlicher, je früher Sie sich um eine Schuldenregulierung bemühen. Die versierten Schuldner- und Insolvenzberater unserer Kanzlei unterstützen Sie bei diesem Schritt – schnell, diskret und kompetent.

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Foto: jozefmicic / stock.adobe.com

Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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