Die Insolvenzordnung (InsO) regelt, dass im Insolvenzverfahren alle Gläubiger gleich zu behandeln sind. Absprachen zwischen Schuldnern und einzelnen Gläubigern sind nicht zulässig (§ 294 Abs. 3 InsO).
Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Gläubiger zeitgleich ihr Geld erhalten. Das deutsche Insolvenzrecht kennt unterschiedliche Arten von Gläubigern, deren Ansprüche in einer bestimmten Reihenfolge befriedigt werden.
Das Wichtigste – kurz & knapp
- Im Insolvenzverfahren sind grundsätzlich alle Gläubiger gleich zu behandeln.
- Es gilt allerdings eine feste Reihenfolge, in der die Ansprüche von Gläubigern zu befriedigen sind.
- Zunächst erhalten aussonderungsberechtigte Gläubiger ihr Geld, dann absonderungsberechtigte Gläubiger, Massegläubiger, Insolvenzgläubiger und zuletzt nachrangige Insolvenzgläubiger.
Reihenfolge der Insolvenzgläubiger
Im Insolvenzrecht gibt es fünf unterschiedliche Arten von Gläubigern, deren Forderungen nacheinander befriedigt werden. Die Reihenfolge lautet:
- Aussonderungsberechtigte Gläubiger
- Absonderungsberechtigte Gläubiger
- Massegläubiger
- Insolvenzgläubiger
- Nachrangige Insolvenzgläubiger
Erst müssen die Forderungen einer Gruppe vollständig beglichen sein, bevor die Gläubiger der nächsten Gruppe ihr Geld erhalten.
1. Aussonderungsberechtigte Gläubiger
Bei aussonderungsberechtigten Gläubigern handelt es sich um Personen, die das Eigentumsrecht an einer Sache im Besitz des Schuldners haben. Überlässt ein Unternehmen zum Beispiel einem Kunden eine Maschine unter Eigentumsvorbehalt, zählt diese Maschine nicht zur Insolvenzmasse.
Gläubiger können vom Insolvenzverwalter verlangen, die Maschine herauszugeben, sie also aus der Insolvenzmasse auszusondern. Aussonderungsberechtigte Gläubiger müssen ihre Forderungen nicht in der Insolvenztabelle anmelden.
2. Absonderungsberechtigte Gläubiger
Absonderungsberechtigte Gläubiger verfügen über ein Pfandrecht oder Sicherungsrecht an einer Sache, die sich im Vermögen des Schuldners befindet. Sie dürfen ihre Forderungen vorab aus dem Erlös dieser Sache ausgleichen (§ 49 InsO – § 52 InsO).
Ein solches Absonderungsrecht begründet sich zum Beispiel aus einer Hypothek auf einer Immobilie oder aus einer Grundschuld. Wird die Immobilie versteigert, geht der Erlös zuerst an den absonderungsberechtigten Gläubiger.
3. Massegläubiger
Massegläubiger sind die Gläubiger der sogenannten Masseverbindlichkeiten. Dabei handelt es sich um Ansprüche, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.
Masseverbindlichkeiten umfassen unter anderem um die Verfahrenskosten, etwa Gerichtskosten, die Gebühren für den Insolvenzverwalter sowie die Vergütung des Gläubigerausschusses. Häufig gehören auch Vermieter und Arbeitnehmer zu den Massegläubigern, da ihre Vertragsverhältnisse im Insolvenzrecht bevorzugt behandelt werden und nur mit gewissen Fristen gekündigt werden können (§§ 109 und 113 InsO).
Massegläubiger erhalten ihr Geld noch vor den Insolvenzgläubigern aus der Insolvenzmasse (§ 53 InsO).
4. Insolvenzgläubiger
Insolvenzgläubiger sind die persönlichen Gläubiger, die zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung eine begründete Forderung gegen den Schuldner geltend machen können (§ 58 InsO). Diese Forderung müssen sie beim Insolvenzverwalter anmelden, der sie in die sogenannte Insolvenztabelle aufnimmt.
5. Nachrangige Insolvenzgläubiger
Nachrangige Insolvenzgläubiger bekommen ihr Geld erst, nachdem alle anderen Insolvenzgläubiger die volle Forderungssumme zurückerhalten haben (§ 39 InsO).
Dabei ist ebenfalls eine bestimmte Reihenfolge zu beachten:
- Zinsen und Säumniszuschläge, die nach Verfahrenseröffnung entstanden sind.
- Kosten, die Insolvenzgläubigern durch die Teilnahme am Verfahren entstehen.
- Geldstrafen, Buß-, Ordnungs- und Zwangsgelder, Nebenfolgen einer Straftat, die eine Geldzahlung nach sich ziehen.
- Forderungen auf unentgeltliche Leistungen des Schuldners.
- Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder auf Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen entsprechen.
Foto: Stockwerk-Fotodesign / stock.adobe.com
Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.