Nicht immer ist eine durch einen Gläubiger angestrengte Pfändung rechtmäßig. Widerspricht eine Pfändung geltendem Recht, können betroffene Schuldner ihr Geld bzw. die gepfändeten Gegenstände zurückfordern.
In gewissen Fällen besteht zudem Anrecht auf Schadensersatz.
Das Wichtigste – kurz & knapp
- Eine Pfändung ist unter anderem rechtswidrig, wenn kein vollstreckbarer Titel vorliegt, die Vollstreckungsklausel fehlt oder der Titel dem Schuldner nicht zugestellt wurde.
- Grundsätzlich können Schuldner bei unrechtmäßiger Pfändung Schadensersatz anmelden.
- Anspruch auf Schadensersatz besteht, wenn dem Schuldner nachweislich ein materieller Schaden entstanden ist.
Wann ist eine Pfändung unrechtmäßig?
Bevor ein Gläubiger eine Zwangsvollstreckung veranlassen kann, sind mehrere Voraussetzungen zu erfüllen:
- Der Gläubiger hat einen vollstreckbaren Titel erwirkt.
- Der Titel verfügt über eine Vollstreckungsklausel. Nur bei Vollstreckungsbescheiden kann darauf verzichtet werden.
- Der Schuldner hat den Vollstreckungstitel in schriftlicher Form erhalten.
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, gilt die Pfändung als unrechtmäßig.
Info: Vollstreckbare Urkunden
In einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde können Gläubiger und Schuldner vereinbaren, dass bei Nichterfüllung der Forderung direkt Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgen. Eine Pfändung ist dann ohne Prüfung und Titel des Amtsgerichts möglich. Zahlt der Schuldner seine Raten allerdings gemäß Vereinbarung, ist die Pfändung rechtswidrig.
Wann dürfen Schuldner Schadensersatz fordern?
Schadensersatzforderungen unterliegen in Deutschland dem Zivilrecht. Die rechtlichen Grundlagen finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 826 – 835 BGB) und in der Zivilprozessordnung (§§ 750ff ZPO).
Schadensersatz steht Ihnen zu, wenn …
- die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ohne rechtliche Grundlage oder rechtmäßige Genehmigung durchgeführt worden sind.
- Ihnen durch die unrechtmäßige Pfändung ein nachweisbarer Schaden entstanden ist.
Wurde zum Beispiel Ihr Konto gepfändet, ohne dass Sie zuvor eine schriftliche Ankündigung erhalten haben, können Sie versuchen, Schadensersatz anzumelden.
Gleiches gilt bei Überpfändung. Zu einer solchen kommt es beispielsweise, wenn die gesetzmäßigen Freibeträge und andere vor der Pfändung geschützte Summen nicht berücksichtigt werden und Sie dadurch weniger Geld zur Verfügung haben als Ihnen zusteht.
So melden Sie Schadensersatz an
Möchten Sie Schadensersatz fordern, stehen Ihnen grundsätzlich zwei Wege offen: Sie erzielen eine außergerichtliche Einigung mit dem Gläubiger, dessen Zwangsvollstreckungsmaßnahme den Schaden verursacht hat, oder Sie reichen Schadensersatz-Klage vor Gericht ein.
Am besten lassen Sie sich von einem versierten Rechtsanwalt bei Ihrer Schadensersatzforderung unterstützen. Ein Anwalt kann Sie beraten, ob überhaupt ein Anspruch auf Schadensersatz besteht und zudem den Schriftverkehr mit dem Verursacher übernehmen.
Bemühen Sie sich zunächst um eine gütliche Einigung, senden Sie dem Verursacher Ihre Schadensersatzforderung zusammen mit Nachweisen über den entstandenen Schaden zu. Führen Sie in Ihrem Schreiben auch auf, bis wann der Schadensersatz geleistet werden soll.
Scheitert die außergerichtliche Einigung, können Sie Zivilklage einreichen. Bei Schadenssummen bis 5.000 Euro ist das örtliche Amtsgericht zuständig, bei höheren Summen das Landgericht. Dort besteht Anwaltspflicht.
Bei einer Schadensersatzklage liegt die Beweislast stets beim Kläger. Sie müssen also ausführlich darlegen können, dass Ihnen durch die unrechtmäßige Pfändung tatsächlich ein materieller Schaden entstanden ist. Als Nachweise dienen zum Beispiel Kontoauszüge und ähnliche Dokumente.
Vor dem Gerichtsprozess müssen Sie Gerichtskostenvorschuss leisten. Die Höhe richtet sich nach dem geforderten Schadensersatz.
Höhe des Schadensersatzes
Wie viel Schadensersatz dürfen Sie bei einer unberechtigten Pfändung eigentlich fordern? Das hängt vom tatsächlich erlittenen und nachgewiesenen Schaden ab.
Am gängigsten ist die Berechnung nach der Differenzmethode: Die Höhe des Schadensersatzes entspricht der Differenz zwischen dem Vermögen, wie es ohne eingetretenen Schaden anzunehmen wäre, und dem tatsächlichen Vermögen nach Eintritt des Schadens.
Bei Überpfändung steht Ihnen beispielsweise das zu viel gepfändete Geld zu. Konnten Sie aufgrund der Pfändung Rechnungen nicht begleichen und sollen dafür Mahngebühren zahlen, können Sie sich diese ebenfalls ersetzen lassen. Gibt das Gericht Ihnen Recht, muss der Beklagte zudem die Kosten für Ihre rechtliche Vertretung übernehmen.
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Oliver Schulz
Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.