Gläubiger haben das Recht, aktiv am Insolvenzverfahren mitzuwirken. Das gilt für Regelinsolvenzverfahren ebenso wie für Privatinsolvenzen. Oberstes Selbstverwaltungsorgan von Gläubigern ist die Gläubigerversammlung. Sie dient als Interessenvertretung und verfügt über weitgehende Entscheidungsbefugnisse. Rechtliche Grundlage bildet die Insolvenzordnung (InsO).
Das Wichtigste – kurz & knapp
- Die Gläubigerversammlung ist ein Entscheidungsgremium im Rahmen Insolvenzverfahren.
- Die Gläubigerversammlung vertritt die Interessen von Gläubigern gegenüber dem Schuldner, dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter. Teilnehmen kann grundsätzlich jeder absonderungsberechtigte Gläubiger und Insolvenzgläubiger.
- Für die Einberufung der Gläubigerversammlung ist das Insolvenzgericht zuständig.
Ziele der Gläubigerversammlung
Die Gläubigerversammlung stellt das wichtigste Selbstverwaltungsorgan im Insolvenzverfahren dar. Als Entscheidungsgremium vertritt sie die Rechte der Gläubiger gegenüber dem Schuldner, dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter.
Ein weiteres Ziel der Gläubigerversammlung ist es, die Gläubiger mit sämtlichen für das Insolvenzverfahren relevanten Informationen zu versorgen.
Teilnehmer
Zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung sind gemäß Insolvenzordnung alle absonderungsberechtigten Gläubiger und Insolvenzgläubiger berechtigt. Absonderungsberechtigte Gläubiger haben ein bevorzugtes Recht auf Befriedigung an bestimmten Sachen des Gläubigers, etwa auf Grundlage eines Pfand- oder Rückhaltungsrechts.
Weiterhin nehmen der Insolvenzverwalter, die Mitglieder eines eventuell eingesetzten Gläubigerausschusses sowie der Schuldner an der Gläubigerversammlung teil (§ 74 Abs. 1 InsO).
Einberufung
Die Termine zur Zusammenkunft sind im Eröffnungsbeschluss des Gerichts zu bestimmen (§ 29 InsO).
Zu den wichtigsten Terminen gehören:
- Berichtstermin
- Prüfungstermin
- Erörterungs- und Abstimmungstermin im Regelinsolvenzverfahren, um über eine mögliche Sanierung zu entscheiden
- Schlusstermin
Der Berichts- und der Prüfungstermin können miteinander verbunden werden. Bei überschaubaren Vermögensverhältnissen des Schuldners ist auf den Berichtstermin zu verzichten (§ 29 Abs. 2 InsO). Darüber hinaus können sowohl der Insolvenzverwalter als auch die Gläubiger die Einberufung weiterer Termine beantragen.
Zwischen dem Eingang des Antrags und dem Termin der Gläubigerversammlung sollten nicht mehr als drei Wochen liegen. Lehnt das Gericht die Einberufung ab, kann der Antragsteller Beschwerde einlegen (§ 75 InsO).
Ablauf
Das Gericht hat alle Teilnahmeberechtigten über die Einberufung zur Gläubigerversammlung in Kenntnis zu setzen. Die Tagesordnung der Versammlung muss öffentlich bekannt gemacht werden. Darauf kann verzichtet werden, wenn die Gläubigerversammlung die Verhandlung vertagt (§ 74 Abs. 2 InsO).
Die Versammlung selbst findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, meistens in den Räumen des zuständigen Amtsgerichts. Das Gericht trägt als leitende Instanz auch die Verantwortung für die Verhandlung.
In der ersten Sitzung, dem Berichtstermin, stehen für gewöhnlich die folgenden Punkte auf der Tagesordnung:
- Der Insolvenzverwalter stellt seinen Bericht über die wirtschaftliche Situation des Schuldners vor.
- Die Gläubiger erhalten weitere relevante Informationen zum Insolvenzverfahren.
- Gemeinsam werden formale Entscheidungen über den Fortlauf des Verfahrens beschlossen.
Im Regelinsolvenzverfahren entscheiden die Teilnehmer beim Berichtstermin zum Beispiel darüber, ob das Unternehmen stillgelegt oder saniert und weitergeführt werden soll. Die Gläubiger können den Insolvenzverwalter zudem damit beauftragen, einen Insolvenzplan zu erstellen.
Beschlussrecht
Bedeutsame Rechtshandlungen im Insolvenzverfahren bedürfen immer der Zustimmung der Gläubigerversammlung. Zu solchen Rechtshandlungen zählen etwa die Veräußerung des insolventen Unternehmens oder die Aufnahme eines Darlehens zur Unternehmenssanierung.
Im Privatinsolvenzverfahren entscheidet die Gläubigerversammlung zum Beispiel darüber, ob gewisse Rechte auf den Insolvenzverwalter übertragen werden.
Bei der Abstimmung ist die Höhe der angemeldeten Forderungen ausschlaggebend, nicht die Anzahl der zustimmenden Personen. Erfolgreich ist ein Beschluss, wenn die Forderungssumme der zustimmenden Gläubiger mehr als 50 Prozent der gesamten Forderungssumme der abstimmungsberechtigten Gläubiger beträgt. Bei absonderungsberechtigten Gläubigern gibt der Wert des Absonderungsrechts den Ausschlag (§ 76 Abs. 2 InsO).
Von der Gläubigerversammlung getroffene Beschlüsse haben für die am Insolvenzverfahren beteiligten Personen Rechtsgültigkeit. Widerspricht ein Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger, hat das Gericht den Beschluss aufzuheben, sofern dies von einem absonderungsberechtigten Gläubiger, einem nachrangigen Insolvenzgläubiger oder dem Insolvenzverwalter beantragt wird (§ 78 Abs. 1 InsO).
Die Aufhebung des Beschlusses muss das Gericht öffentlich bekanntmachen. Absonderungsberechtigte Gläubiger und nachrangige Insolvenzgläubiger können gegen die Aufhebung Beschwerde einlegen (§ 78 Abs. 2 InsO).
Der Gläubigerausschuss
Die Gläubigerversammlung beschließt auch, ob ein Gläubigerausschuss eingesetzt werden soll (§ 68 Abs. 1 InsO). Der Ausschuss unterstützt und überwacht den Insolvenzverwalter, darf Bücher sowie Geschäftspapiere einsehen und den Geldverkehr und -bestand prüfen (§ 69 InsO).
Der Gläubigerausschuss ist kleiner und kann dadurch schneller und flexibler Entscheidungen treffen. Im Privatinsolvenzverfahren ist der Einsatz eines Gläubigerausschusses aber unüblich.
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Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.