Wucher - das sollten Sie über "Mondpreise" wissen

Wucher – das sollten Sie über „Mondpreise“ wissen

Ob überteuert erscheinende Lebensmittel, horrende Preise beim Online-Shopping oder eine plötzliche Mieterhöhung: Wer glaubt, zu viel für eine Leistung zu bezahlen, spricht häufig von Wucher. Auch das Zivil- und Strafrecht kennt den Begriff. Unter bestimmten Bedingungen können Wucherpreise sogar strafbar sein.

Doch wann liegt tatsächlich Wucher vor? Und wie können Sie sich gegen Wucherpreise wehren? Hier finden Sie die wichtigsten Informationen.

1. Wie lautet die Definition des Begriffs Wucher?

Umgangssprachlich verwendet man den Begriff Wucher, wenn jemand zu hohe Preise für Produkte oder Dienstleistungen verlangt. Doch nicht bei jedem teuren Preis handelt es sich gleich um Wucher. In § 138 II Bundesgesetzbuch (BGB) ist Wucher definiert als ein Rechtsgeschäft, bei dem

a) ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.
b) der Anbieter die Zwangslage, Unerfahrenheit, einen Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines Dritten ausnutzt.

Sind beide Punkte gegeben, können wucherähnliche Vereinbarungen als nichtig erklärt werden, da sie gegen die guten Sitten verstoßen (§ 138 I BGB).
Das Strafgesetzbuch (StGB) folgt dieser Definition. § 291 StGB sieht für das Vergehen des Wuchers eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. In besonders schweren Fällen können Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren verhängt werden.

2. Kreditwucher: Wie hoch sind Wucherzinsen?

Von Kreditwucher spricht man, wenn der Kreditanbieter sich durch die Verleihung eines Darlehens einen übermäßigen Vermögensanteil verschafft. Wann Wucherzinsen vorliegen, ist nicht allgemeingültig geregelt, sondern wird im Einzelfall entschieden. Generell kann in folgenden Fällen von Kreditwucher ausgegangen werden:

– Der Zinssatz beträgt mehr als das doppelte der marktüblichen Zinsen.
– Zwischen dem erhobenen Zinssatz und den marktüblichen Zinsen besteht eine Differenz von mehr als 12 Prozent.
– Der Zinssatz beträgt über 40 Prozent.

3. Wann spricht man von einer Wuchermiete?

Verlangt der Vermieter eine Miete, die den ortsüblichen Mietzins um 20 Prozent übersteigt, handelt es sich zwar um eine Ordnungswidrigkeit, nicht aber um eine Straftat. Der Tatbestand des Mietwuchers gilt erst dann als erfüllt, wenn der Vermieter durch die Mieterhöhung beispielsweise die Notlage eines Mieters ausnutzt.

4. Wo fängt Wucher an?

Damit ein Rechtsgeschäft aufgrund von Wucherpreisen für nichtig erklärt wird, müssen die im BGB definierten Bedingungen erfüllt sein. Leistung und Gegenleistung müssen dementsprechend in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen. Das gilt in der Regel als gegeben, wenn die verlangte Gegenleistung den Marktwert der Leistung bei Rechnungsabschluss um mehr als das Doppelte übersteigt.

Das allein reicht jedoch nicht aus, um den Tatbestand des Wuchers zu erfüllen. Es muss zudem Vorsatz vorliegen, das bedeutet, der Anbieter nutzt die ungünstige Situation eines Dritten mit ausbeuterischer Absicht aus.

5. Wann ist Wucher strafbar?

In besonders schweren Fällen können Wucherpreise als Straftat eingestuft werden. Das gilt zum Beispiel, wenn ein Rechtsgeschäft die im BGB festgelegten Bedingungen erfüllt und der Täter …

– sich durch einen Wechsel zu seinem Angebot wucherische Vermögensvorteile verschafft.
– die Tat gewerbsmäßig begeht.
– seinen Geschäftspartner in wirtschaftliche Not bringt.

6. Wucherpreise … was tun?

Wer den Verdacht hat, Wucherpreisen aufgesessen zu sein, kann sich zur Beratung an die örtliche Verbraucherzentrale wenden. Hinweise und Beschwerden können schriftlich eingesandt werden, falls erforderlich kann man zusätzlich einen Beratungstermin vereinbaren. Darüber hinaus kann man Anzeige bei der Polizei erstatten, die dann prüft, ob der Straftatbestand des Wuchers erfüllt ist.

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7. Typische Beispiele für Wucher

Als zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 die Maskenpflicht ins Gespräch kam, sah so manch ein Anbieter seine Chance gekommen. Die Preise für medizinischen Mund-Nasenschutz schossen in die Höhe, eine einfache OP-Maske kostete in zahlreichen Online-Shops weit mehr als das Doppelte des zuvor üblichen Marktpreises. Diese Angebote können durchaus als Wucher gewertet werden, da sie die Notlage der Bürgerinnen und Bürger, die einen Mund-Nasenschutz verpflichtend benötigen, ausnutzen. Entsprechende Urteile wurden jedoch noch nicht gefällt. Anders sieht es in anderen Geschäftsbereichen aus.

Ein typisches Beispiel für Wucher sind überteuerte Preise von Handwerks-Notdiensten. Wer am Wochenende einen Elektriker-Notdienst ruft, weiß in der Regel, dass er mehr zahlen muss als bei einem regulären Einsatz unter der Woche. Verlangt der Notdienst jedoch das Dreifache des ortsüblichen Preises, liegt Wucher vor und das Geschäft ist nichtig. Zu diesem Urteil kam das Amtsgericht Langenfeld (Az 18 C 205/97 -).

Wucher kann auch vorliegen, wenn der Schlüsseldienst für das Öffnen der Wohnungstür deutlich mehr als die übliche Vergütung verlangt. So gab das Amtsgericht Lingen einem Mann Recht, der gegen einen Schlüsseldienst klagte, weil er die Rechnung über 308 Euro als zu hoch ansah. Vor der Türöffnung war nicht über den Preis gesprochen worden. Das Gericht setzte einen Preis von 112 Euro als üblich an. Die Differenz erhielt der Kunde erstattet (Az. 4 C 529/16)

8. 4,20 Euro für ein Glas Leitungswasser!?

Im Jahr 2017 wurde landesweit diskutiert, ob der bekannte Schauspieler Til Schweiger seinen Restaurant-Kunden in Hamburg diesen Betrag für Leitungswasser in Rechnung stellen durfte. Zwar war das Wasser aufbereitet, dennoch hielten viele Menschen diesen Preis für enorm überteuert, einige sogar für Wucher. Aus rechtlicher Sicht konnte man Herrn Schweiger nichts vorwerfen, da der Preis weder um 100 Prozent über dem üblichen Marktpreis (in Restaurants) lag. Außerdem hat er – angesichts der Zielgruppe – keine Schwächesituation seiner Gäste ausgenutzt.

Generell kann man jedoch die Frage stellen, warum in Flaschen abgefülltes Wasser teilweise so teuer oder, gefühlt, überteuert sein muss. Die Wasserqualität ist in Deutschland so hoch, dass nahezu jeder Leitungswasser trinken könnte. In Frankreich sind die Wirte übrigens verpflichtet, ihren Gästen zum Essen kostenlos ein Brot und eine Karaffe Wasser zu servieren …

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Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)
Oliver Schulz

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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