Sind Überstunden pfändbar?

Überstunden gehören für viele Beschäftigte zum Arbeitsalltag. Laut Statistischem Bundesamt haben im Jahr 2021 rund 4,5 Millionen Menschen mehr Arbeit geleistet als vertraglich vereinbart. Das entspricht 12 Prozent der insgesamt 37,8 Millionen Beschäftigten in Deutschland. Die Mehrheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gleicht ihre Überstunden durch Freizeit aus (72 Prozent). 18 Prozent lassen sie sich finanziell vergüten.

Doch was passiert mit dem Geld für Überstunden, wenn es zur Lohnpfändung kommt? Hier gibt es Antworten.

Überstunden im deutschen Arbeitsrecht

Das Arbeitsrecht definiert Überstunden als die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus für den Betrieb tätig ist. Beschäftigte in Deutschland machen im Schnitt rund 20 bezahlte und 21,8 unbezahlte Überstunden im Jahr (Stand: 2021). Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit auf den vorderen Plätzen.

Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass Arbeitnehmer hierzulande auch insgesamt länger arbeiten als in anderen EU-Staaten. Betrachtet man die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, liegt Deutschland mit 39,9 Wochenstunden auf Platz 5. In Griechenland, Polen, Rumänien, Slowenien und Bulgarien sind Beschäftigte im Schnitt länger als 40 Stunden pro Woche tätig.

Wie viele Stunden Mehrarbeit sind rechtlich eigentlich zulässig?

Das Arbeitszeitgesetz legt fest, dass die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten darf. Alles, was darüber hinaus geht, muss innerhalb der folgenden sechs Monate durch Freizeit ausgeglichen werden (§ 3 ArbZG). Auch dann sind jedoch maximal zehn Stunden Arbeitszeit am Tag zulässig.

Ausnahmen können gelten, wenn Tarifverträge oder auf einem Tarifvertrag basierende Betriebs- und Dienstvereinbarungen regelmäßige Bereitschaftsdienste vorsehen. So müssen zum Beispiel Beschäftigte im Krankenhaus bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung auch schon einmal Schichten von zwölf Stunden Dauer leisten.

Grundlos darf ein Arbeitgeber keine Mehrarbeit anordnen. Legt der Arbeitsvertrag jedoch rechtlich wirksam Überstunden fest, müssen Arbeitnehmer diese auch leisten. Auch wenn ein großer Teil der Belegschaft plötzlich erkrankt, können Überstunden angeordnet werden. Werdende und stillende Mütter sowie Jugendliche dürfen allerdings nicht zu zusätzlicher Arbeit verpflichtet werden (§ 8 Mutterschutzgesetz und § 8 Jugendarbeitsschutzgesetz).

Wie sind Überstunden zu vergüten?

Eine konkrete gesetzliche Regelung zur Überstundenvergütung besteht nicht. Entsprechende Vereinbarungen werden vielmehr individuell in den Arbeitsverträgen und Tarifverträgen festgelegt. Dort wird zum Beispiel geregelt, ob Überstunden durch Freizeit ausgeglichen oder ausbezahlt werden. Fehlt eine solche Regelung, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Auszahlung. Beschäftigte mit geringem Einkommen sind nicht selten auf diese Mehreinnahmen angewiesen.

Damit der Anspruch auf Überstundenausgleich nicht verfällt, müssen Beschäftigte ihn zeitnah schriftlich geltend machen. Voraussetzung ist eine genaue und vom Arbeitgeber abgezeichnete Dokumentation der geleisteten Arbeitszeit.

Viele Betriebe führen zu diesem Zweck für jeden Beschäftigten ein Überstunden-Konto. Gibt es ein solches Konto nicht, müssen die Beschäftigten ihre Mehrarbeit detailliert aufzeichnen und nachweisen, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest geduldet wurden.

Überstundenausgleich ist zur Hälfte pfändbar

Kommt es zur Lohnpfändung, ist davon auch der finanzielle Überstundenausgleich betroffen – zumindest zur Hälfte. Gemäß Zivilprozessordnung dürfen 50 Prozent der zum Ausgleich von Mehrarbeit geleisteten Zahlungen gepfändet werden, die andere Hälfte ist unpfändbar (§ 850a ZPO).

50 Prozent des Überstundenausgleichs dürfen Schuldner also behalten. Anders als bei der Pfändung des regulären Arbeitslohnes spielen die soziale Situation des Schuldners sowie eventuelle Unterhaltsansprüche keine Rolle.

Die gleichen Regelungen gelten in der Verbraucherinsolvenz. Auch hier bleiben 50 Prozent des Überstundengeldes unpfändbar.

Wer bei einer Lohnpfändung mehr bezahlte Überstunden leistet, kann seine Schulden schneller abbezahlen und den Zeitraum der Pfändung verkürzen. Zugleich steht dem Schuldner damit mehr Geld zum Leben zur Verfügung.

Eine professionelle Schuldnerberatung hilft bei einer Lohnpfändung

Am besten ist es natürlich, wenn Sie es gar nicht erst zur Lohnpfändung kommen lassen. Zur Lösung finanzieller Probleme wenden Sie sich idealerweise möglichst frühzeitig an eine professionelle Schuldnerberatung. Anerkannte Schuldnerberatungsstellen unterstützen Sie dabei, wieder einen Überblick über Ihre Finanzen zu bekommen.

Pfändungen lassen sich oft durch einen außergerichtlichen Schuldenvergleich abwenden. Ist es bereits zur Pfändung gekommen, helfen die Berater Ihnen bei der Sicherung der unpfändbaren Einkommensbestandteile.

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Foto: emma / stock.adobe.com

Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)
Oliver Schulz

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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