Geldeintreiber - das sollten Schuldner über das Thema Inkasso wissen

Geldeintreiber – das sollten Schuldner über das Thema Inkasso wissen

Viele große und mittelständische Unternehmen lagern das Eintreiben von Außenständen aus. Sie beauftragen externe Dienstleister, die Inkassounternehmen. Für Schuldner können dadurch unüberschaubar hohe Kosten entstehen. Zudem sind viele Mitarbeiter von Inkassobüros nicht gerade als sensibel bekannt und werden umgangssprachlich oft auch als Geldeintreiber bezeichnet. Um die Forderungssumme einzutreiben, üben sie enormen Druck auf Schuldner aus. Nicht selten geht das mit heftigen Drohungen einher.

In diesem Artikel finden Sie viele Informationen über das komplexe Thema Inkasso. Wir möchten anhand der wichtigsten Fragen für Transparenz sorgen und zeigen, worauf Sie beim Umgang mit einem Inkassounternehmen achten sollten.

1. Definition Inkasso – was heißt eigentlich Inkasso?

Die Bezeichnung Inkasso wird für das gewerbsmäßige Eintreiben von Geldern verwendet. Heute bezieht sich der Begriff, der ursprünglich aus dem Bankenwesen stammt, hauptsächlich auf das Outsourcing von Forderungen bei nicht bezahlten Rechnungen oder Kreditschulden.

Wer ein Inkassounternehmen führen möchte, muss einen Antrag beim zuständigen Amtsgericht stellen. Ob der Antrag erfolgreich ist, entscheidet der Präsident des Landgerichts. Zu den Voraussetzungen zählen Zuverlässigkeit und die erforderliche (theoretische und praktische) Sachkenntnis. Demnach ist z.B. eine passende Berufsausbildung erforderlich. Wurde der Antragsteller in den letzten fünf Jahren für eine Straftat verurteilt oder lebt in ungeordneten Vermögensverhältnissen und hat z.B. eine Privatinsolvenz hinter sich, wird sein Antrag abgelehnt.

2. Rechtslage und Gesetzesgrundlagen für Inkassounternehmen

Bei anhaltendem Zahlungsverzug sind Unternehmer berechtigt, ein Inkassobüro mit dem Einzug der Forderung zu beauftragen. Inkassodienstleister sind an das deutsche Recht gebunden und müssen gesetzeskonform arbeiten und sich an die Richtlinien des Inkassogeschäfts halten.

Dazu gehört eine plausible Aufschlüsselung der Schuldensumme und eine transparente Darstellung der eigenen Aufwendungen. Außerdem darf die angesetzte Zahlungsfrist nicht zu kurz sein. Wenn Sie ein Schreiben von einem Inkassounternehmen bekommen, ist klar, dass der ursprüngliche Gläubiger die Forderung an Sie – und alle damit verbundenen Ansprüche – quasi verkauft hat. Von nun an ist das Inkassobüro ihr Ansprechpartner. Leider bedeutet das in den meisten Fällen nichts Gutes.

3. So funktioniert das Inkassogeschäft

Reagieren Sie nicht auf Mahnungen, kann ihr Vertragspartner von seinem Recht zum Auslagern der Forderung Gebrauch machen. Konkret formuliert heißt das, dass er Ihre Schulden „verkauft“ und vom Inkassobüro einen festen Betrag erhält. Die Problematik im Geschäft von Inkassobüros besteht in den oftmals nicht transparenten Praktiken, den unübersichtlichen Beträgen und dem Druck, der im Inkasso auf den Schuldner ausgeübt wird.

Durch einen Inkassodienstleister kann sich eine Forderung leicht mehr als verdoppeln. Das ist möglich, da es in Bezug auf die Höchstgrenze der Gebühren keine bundeseinheitliche und verbindliche Regelung gibt. Mit jedem weiteren Tag ab Zustellung des Inkassobescheids fallen Zinsen an. 

4. Was darf ein Geldeintreiber und wo überschreitet er seine Kompetenzen?

Ein Inkassounternehmen darf die an ihn verkaufte Forderung plus Gebühren vom Schuldner verlangen. Auch eine Verzinsung der Schuldsumme ist legitim. Eine Überschreitung der Kompetenzen liegt vor, wenn Mitarbeiter des Inkassobüros bei Ihnen …

  • unangemeldet vor der Tür stehen und Einlass fordern
  • unlautere Mittel anwenden und Ihnen drohen
  • „Telefonterror“ ausüben
  • indiskret mit Ihren Daten umgehen (beispielsweise bei Nachbarn nach Ihrer finanziellen Situation fragen)

Zudem darf ein Inkassobüro Ihnen die Möglichkeit der Ratenzahlung nicht verweigern und darauf bestehen, dass Sie den offenen Betrag in einer Summe zahlen. Nicht alle Geldeintreiber halten sich an die gesetzlichen Vorschriften, so dass die Branche im Allgemeinen einen schlechten Ruf genießt.

5. Der schlechte Ruf der Inkassobranche – warum ist das so?

Nicht ohne Grund hat die Inkassobranche ein schlechtes Image. Unverschämt hohe Gebühren, die Praktiken der Mitarbeiter und die oftmals von oben herab geführte Konversation sorgen für „Angst und Schrecken“. Durch das inszenierte Schreckensszenario zahlen viele Schuldner ohne großartig nachzuhaken. Andere bringen nicht den Mut auf, sich ihren Schulden zu stellen und „verkriechen sich im Schneckenhaus“. Beides ist falsch.

Da unseriöse Inkassobüros in der Vergangenheit nicht selten mit unlauteren Mitteln und immensen Druck auf Schuldner gearbeitet haben, genießt die gesamte Branche einen negativen Ruf. Eine Änderung im Empfinden von Schuldnern kann nur erfolgen, wenn das Eintreiben von Forderungen transparenter und nachvollziehbarer erfolgt.

6. Schwarze Schafe unter den Geldeintreibern

Das Internet liefert viele Informationen über Inkassounternehmen. Geldeintreiber, die auf Drohungen setzen und sich nicht an die Richtlinien halten, sind dabei die schwarzen Schafe der Branche. Als Verbraucher und Schuldner haben Sie wenig Einfluss auf Ihr Gegenüber, da Ihr ehemaliger Vertragspartner den Inkassodienstleiter wählt und ihn mit dem Eintreiben der Forderung beauftragt hat.

Dennoch sollten Sie nicht den „Kopf in den Sand stecken“, sondern sich gegen unseriöse Inkassounternehmen wehren. Der Weg zur Verbraucherzentrale oder zu einem Anwalt empfiehlt sich, wenn Sie unlauter unter Druck gesetzt oder gar in Ihren eigenen vier Wänden durch „Hausbesuche“ und telefonische Kontakte bedroht werden. Auch wenn Sie Schulden haben und die ursprüngliche Forderung berechtigt ist, müssen Sie sich nicht alles gefallen lassen und sich nicht vor einem Mitarbeiter vom Inkasso „ducken“.

7. Mit diesen Tricks arbeiten unseriöse Inkassounternehmen

Die Inkassobranche und ihre Geldeintreiber lebt vom ausgeübten Druck und Ihrer Angst. Drohungen wie die Mitteilung über Ihre Schuldensituation an Ihren Arbeitgeber, unangekündigte Kontosperrungen oder Hausbesuche zur Verbreitung von Angst sind keine Seltenheit. Intransparente Schreiben und Summen, die weit über dem ursprünglichen Betrag liegen, sind ebenfalls keine Seltenheit.

Ein unseriöser Inkassounternehmer behandelt Sie von oben herab und macht Ihnen unmissverständlich klar, dass er am längeren Hebel sitzt. Er suggeriert, dass er entscheidet, wie es mit Ihrer Existenz weitergeht. Diskretion, angemessene Fristen zur Begleichung der Außenstände oder ein Ratenangebot sind den schwarzen Schafen fremd.

Wenn Sie es mit einem derartigen Inkassobüro zu tun haben: Wehren Sie sich und lassen sich von den Tricks nicht handlungsunfähig machen.

8. Wie Sie sich gegenüber Inkassounternehmen richtig verhalten

Ein Brief vom Inkassobüro sorgt für Herzrasen und ist alles andere als eine „frohe Botschaft“. Das sollten Sie jetzt tun:

  • Lassen Sie sich jetzt nicht aus der Ruhe bringen!
  • Prüfen Sie zunächst, ob die ursprüngliche Forderung überhaupt berechtigt ist!
  • Analysieren Sie den Bescheid auf Plausibilität!
  • Stellen Sie fest, ob das Inkassounternehmen in Deutschland zugelassen ist!
  • Unterschreiben Sie keine dubiosen Vordrucke oder Formulare!

Den Verbraucherzentralen sind die zweifelhaften Methoden der Inkasso-Branche bekannt. Fragen Sie dort nach. Eventuell ist das Inkassobüro schon mehrfach auffällig geworden. Einige Verbraucherzentralen bieten sogar einen Inkasso-Check an.

In der Folge sollten Sie Außendienstmitarbeiter / Geldeintreiber von Inkassounternehmen nicht in Ihre Wohnung lassen. Werden Sie persönlich bedroht oder beschimpft, wenden Sie sich an die Geschäftsführung des Inkassounternehmens oder den Bundesverband deutscher Inkassounternehmen.

Ist die Inkasso-Forderung nur die Spitze des Eisbergs und Ihnen droht die Zahlungsunfähigkeit, sollten Sie Kontakt zu uns aufnehmen. Unser Ziel ist es, einen Vergleich mit Ihren Gläubigern zu erzielen, wozu dann auch das Inkassounternehmen gehört.

Photo by Pawel Janiak on Unsplash

Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)

Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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