Insolvenzanfechtung

Glossar

Im Insolvenzverfahren sollen die Ansprüche aller Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden. Manchmal leisten Schuldner vor Beginn des Insolvenzverfahrens aber eine unbedachte Zahlung, die einen Gläubiger bevorzugt und andere benachteiligt. Solche Handlungen können mit dem Rechtsmittel der Insolvenzanfechtung rückgängig gemacht werden.

Was genau unter einer Insolvenzanfechtung zu verstehen ist und wie diese abläuft, erfahren Sie im folgenden Artikel.

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    Das Wichtigste - kurz & knapp

    • Die Insolvenzanfechtung kann bestimmte Rechtshandlungen des Schuldners rückgängig machen, wenn der Verdacht besteht, dass diese Handlungen zur Benachteiligung von Insolvenzgläubigern führen.
    • Durchgeführt werden darf die Anfechtung nur vom Insolvenzverwalter.
    • Eine vorsätzliche Benachteiligung der Gläubiger im Insolvenzverfahren stellt eine strafbare Handlung dar.

    Definition

    Anders als der Begriff nahelegt, wird bei einer Insolvenzanfechtung nicht etwa das gesamte Insolvenzverfahren angefochten. Vielmehr handelt es sich um eine Maßnahme, mit der bestimmte Handlungen der Schuldner im Insolvenzverfahren rückgängig gemacht werden können.

    Die Insolvenzanfechtung kann im Regelinsolvenzverfahren sowie bei der Privatinsolvenz zum Einsatz kommen. Durchgeführt wird sie stets vom Insolvenzverwalter. Rechtliche Grundlage bildet die Insolvenzordnung (§§ 129 ff InsO).

    Ziel ist es, die gleichmäßige Verteilung der Insolvenzmasse auf alle Gläubiger sicherzustellen. Sie dient also vor allem dem Gläubigerschutz. Einige Schuldner erliegen vielleicht der Versuchung, einen ihnen nahestehenden Gläubiger vor Beginn des Insolvenzverfahrens auszubezahlen.

    Andere versuchen eventuell, Gelder oder Wertgegenstände beiseitezuschaffen, um sie aus der Insolvenzmasse zu entfernen. Beides ist nicht erlaubt. Mit der Insolvenzanfechtung können die aus der Insolvenzmasse entnommenen Gelder oder Wertgegenstände zurückgefordert werden.

    Voraussetzungen und Fristen

    Bevor es zur Insolvenzanfechtung kommt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

    • Das Insolvenzverfahren muss bereits eröffnet sein.
    • Die Insolvenzanfechtung darf nur vom Insolvenzverwalter durchgeführt werden. Vorläufig eingesetzte Insolvenzverwalter sind hierzu nicht berechtigt.
    • Das beanstandete Verhalten des Schuldners führt tatsächlich zu einer Benachteiligung der Gläubiger. Darüber entscheidet im Zweifel das zuständige Insolvenzgericht.

    Weiterhin sind bestimmte Fristen zu beachten, die sich nach dem Anfechtungstatbestand richten. Die Insolvenzordnung unterscheidet vier solcher Tatbestände:

    1. Kongruente Deckung (§ 130 InsO)

    Vom Tatbestand der kongruenten Deckung spricht man in zwei Fällen: Ein zahlungsunfähiger Schuldner zahlt in den drei Monaten, bevor er einen Insolvenzantrag stellt, einen Gläubiger aus, und dem Gläubiger ist die Zahlungsunfähigkeit bekannt. Genauso liegt eine kongruente Deckung vor, wenn der Schuldner die Zahlung nach dem Eröffnungsantrag vornimmt und der Gläubiger zu dieser Zeit von der Zahlungsunfähigkeit sowie dem Insolvenzantrag weiß.

    2. Inkongruente Deckung (§ 131 InsO)

    Der Tatbestand der inkongruenten Deckung ist erfüllt, wenn Schuldner in den drei Monaten vor Eröffnungsantrag einem Gläubiger eine Zahlung oder Besicherung zukommen lässt, auf die der Gläubiger aber keinen Anspruch hat - zumindest nicht zum Zeitpunkt der Zahlung oder in der erfolgten Art.

    3. Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (§ 132 InsO)

    Angefochten werden können zudem Rechtshandlungen, die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligen, wenn diese in den letzten drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrags vorgenommen worden sind, der Schuldner zahlungsunfähig war und die andere Seite davon wusste.

    4. Vorsätzliche Benachteiligung (§ 133 InsO)

    Eine vorsätzliche Benachteiligung liegt vor, wenn der Schuldner durch sein Verhalten die Gläubiger absichtlich täuscht, ihnen zum Beispiel Informationen vorenthält. Je nach Art der Benachteiligung können in diesem Fall sogar Handlungen rückgängig gemacht werden, die bis zu zehn Jahre zurückliegen, vorausgesetzt die andere Seite wusste von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

    Achtung: Die vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung ist strafbar!

    Welche Zahlungen sind anfechtbar?

    Einige Beispiele, in denen es zu einer Insolvenzanfechtung kommen kann:

    • Wenige Tage, bevor er den Insolvenzantrag einreicht, begleicht ein Schuldner noch ausgewählte Rechnungen einiger Gläubiger.
    • Ein Schuldner kauft trotzt bestehender Zahlungsunfähigkeit ein neues Auto oder leistet sich einen teuren neuen Fernseher.
    • Ein Schuldner überschreibt das Eigenheim kurz vor Beginn des Insolvenzverfahrens an seine Kinder, um das Haus so aus der Insolvenzmasse zu nehmen.

    Mit dem Instrument der Insolvenzanfechtung können nicht nur Geldzahlungen rückgängig gemacht werden, sondern alle Rechtshandlungen, welche die Insolvenzmasse verkleinern. Veräußert ein Schuldner etwa Sachen weit unter ihrem eigentlichen Wert, kann der Insolvenzverwalter das Kaufgeschäft rückgängig machen.

    Ablauf

    Zu Beginn jedes Insolvenzverfahrens wird ein Insolvenzverwalter bestellt. Der prüft die zurückliegenden Finanzgeschäfte des Schuldners. Kommt er zu dem Schluss, dass ein Anfechtungsgrund vorliegt, setzt er sich mit der betroffenen Person in Verbindung und fordert diese auf, die erhaltene Summe (oder den Wertgegenstand) an den Schuldner zurückzugeben.

    Weigert sich die betroffene Person, ergeht in der Regel eine Mahnung. Anschließend kann Anklage erhoben werden. Vor Gericht haben die Betroffenen die Möglichkeit, sich gegen die Insolvenzanfechtung zu verteidigen oder einen Vergleich vorzuschlagen. Das Gericht entscheidet schließlich darüber, ob die beanstandete Rechtshandlung rückgängig gemacht wird oder nicht.

    Wie sollten Sie auf eine Insolvenzanfechtung reagieren?

    Bei einer Insolvenzanfechtung ist die Rechtslage nicht immer eindeutig. In vielen Fällen hängt die Beurteilung davon ab, ob die Person, die eine Zahlung des Schuldners entgegengenommen hat, von dessen Zahlungsunfähigkeit wusste oder davon hätte wissen können.

    Um bereits vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Nummer sicher zu gehen und keine unbedachten Zahlungen zu tätigen, sollten Sie fachkundige Beratung einholen, etwa von einem Insolvenzanwalt.

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    Schuldnerberatung Schulz: Oliver Schulz (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Insolvenzrecht)
    Oliver Schulz

    Oliver Schulz ist seit 2010 Rechtsanwalt und hat sich als Fachanwalt auf das Rechtsgebiet Insolvenzrecht spezialisiert. Mit seiner Kanzlei Schulz & Partner führt er seit 2012 die Schuldnerberatung Schulz, die in mehreren deutschen Städten ansässig ist und Schuldnern dabei hilft, ihre Schulden durch einen außergerichtlichen Vergleich, eine Regelinsolvenz oder eine Privatinsolvenz loszuwerden und finanziell neu durchzustarten. Er ist u.a. Mitglied im HAV (Hamburgischer Anwaltverein e.V.) und im Norddeutschen Insolvenzforum Hamburg e.V.. Als ausgewiesener Experte gibt er Interviews, z.B. bei RTL Direkt (zum Thema SchuldnerAtlas 2023). Außerdem ist er als Gastautor aktiv, z.B. auf Unternehmer.de.

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